Die Achse Kassel–Kreta

Na, das ist doch mal eine wirklich verblüffende Meldung des Flughafens Kassel-Calden: „Im Oktober keine verfügbaren Plätze mehr.“ Es geht da jetzt nicht um die Besuchertribüne, sondern tatsächlich um Sitze in Flugzeugen! „Flüge nach Kreta bereits ausgebucht“, jubelt die Flughafen GmbH und verweist darauf, dass das dortige Heraklion „ein sehr gefragtes Reiseziel“ sei.

Da reibt sich der geneigte und auch der wegen 270 vergeigter Steuermillionen eventuell ungeneigte Leser verwundert die Augen. Es starten von der nordhessischen Piste tatsächlich Linienflüge – und dann auch noch ausgebuchte? Toll, der Regionalflughafen also doch keine letzte Ruhestätte für Landesgelder? Und das, nachdem wir doch im ersten Halbjahr 2014 null Linienflüge von Calden aus verzeichnen konnten . . .

Aber gemach, ein Blick auf den Flugplan zeigt dann doch wieder die gewohnte Tristesse. Bei den „stark nachgefragten“ Flügen nach Heraklion handelt es sich um gerade mal vier Starts im ganzen Oktober, die dann auch schon fast den kompletten Flugplan für den Monat ausmachen. Gelegentlich kann man noch nach Antalya oder Mallorca fliegen sowie jeweils exakt einmal nach Porto und Tel Aviv.

Am 12. Dezember geht es gar einmal ins österreichische Innsbruck. Dahinter steckt eine „Sonder-Gruppenreise Ski-Kohl“ wie ein Blick ins Kleingedruckte verrät. Beim „Ski-Kohl“ handelt es sich laut FAZ um den 80 Jahre alten Dieter Kohl aus Eschwege, der sonst Busreisen in Skigebiete organisiert. Bis ihm die glorreiche Idee kam, die Ski-Haserl doch statt mit dem Omnibus wesentlich schneller per Flieger in den Schnee zu schaffen.

Tja, bis der Flugbetrieb in Kassel-Calden sich mit sowas endlich rechnet, hat die Klimaerwärmung nicht nur die Polkappen, sondern auch die Alpengletscher abschmelzen lassen. Mit den im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbarten jährlichen zehn Prozent Defizitabbau wird’s trotz vier ausgebuchter Kreta-Flüge garantiert nichts.

Ganz nebenbei, als im ersten Halbjahr 2013 die Grünen ganze acht Starts in Calden zusammenzählten, forderten sie vom seinerzeitigen FDP-Verkehrsminister Florian Rentsch die „Beendigung des Schildbürgerstreichs“. Aber das war ja vor der Regierungsbeteiligung.

Solcherlei Probleme gibt es am Frankfurter Flughafen nicht. Die wissen da gar nicht, wohin mit all den Passagieren, weshalb der Betreiber Fraport jetzt ein drittes Terminal bauen will. Und wohin mit all den Flugzeugen, wenn zum nächsten Sommerflugplan die sogenannten Lärmpausen kommen, die die Grünen jetzt gemäß Koalitionsvertrag kraftvoll durchsetzen wollen.

Nicht nur der Aviatik, sondern auch der Literatur kundig zeigen sich FDP und Bürgerinitiativen, wenn sie dazu mit Shakespeares Worten rufen „Viel Lärm um nichts!“ Wenngleich mit verschiedenen Begründungen. Weil es nichts Neues sei, argumentiert der FDP-Landtagsabgeordnete René Rock, es werde lediglich ein schon bestehendes Verfahren wechselseitiger Bahnnutzungen erweitert.

Weil es nicht weniger Lärm bringt, erklärt die Initiative gegen Fluglärm Mainz.

Was den Nagel auf den Kopf trifft. Denn die „siebenstündige Lärmpause“ ist in Wahrheit nichts anderes als ein sechsstündiges Nachtflugverbot mit vor- beziehungsweise nachgelagerter einstündiger Lärmumverteilung.

Einen wahren Höhenflug, das soll nicht unerwähnt bleiben, erlebte am Samstag das Finanzamt Bad Homburg. Nicht, weil sich dort eine hiesige Fußballgröße wegen millionenfachen Steuerbetrugs selbst angezeigt hätte. Nein, die Beamten aus der Kurstadt wurden Deutscher Meister bei der Fußballmeisterschaft der Finanzämter in Hamburg.

Sehr zur Freude des obersten Dienstherrn, Finanzminister Thomas Schäfer: „Eine tolle Leistung, ich bin stolz auf Sie!“, verkündete er und versprach eine „Getränkespende“. Das ist wohl der politisch korrekte Ausdruck für ’ne Kiste Bier.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 24. September 2014

 

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