Überblendet

Eigentlich müsste man ja glauben, die Landesregierung sollte vor Freude strahlen, wenn Hessen im hellen Lichte funkelt. Hat sich das Land unter der inzwischen gefühlt ewigen CDU-Führung doch stets mit Superlativen wie Bildungsland Nummer 1, Sicherheitsland Nummer 1 oder Familienland Nummer 1 geschmückt und damit im Ländervergleich glänzen wollen. Bestenfalls mit bangem Blick nach Bayern, wer da heller leuchtet. Lautet dort das Erfolgsmotto „Laptop und Lederhose“, wäre das hierzulande wohl „Bytes und Bembel“. Aber nein!

Umweltministerin Priska Hinz ist es schlicht zu hell in Hessen. So hell, dass die Grüne gar von „Lichtverschmutzung“ spricht: Straßenlaternen, Außenbeleuchtungen, Werbetafeln, beleuchtete Schaufenster und Supermarktparkplätze in der Nacht – alles „unzählige und manchmal überflüssige Lichtquellen“.

Diese Verschmutzung hat es in sich, das kann ich Ihnen sagen: Insekten verglühten massenhaft an heißen Lichtquellen und stünden damit Vögeln, Fledermäusen und anderen Insekten nicht zur Verfügung, warnt die Ministerin. Zugvögel würden durch das nächtliche Licht fehlgeleitet, weil sie den Sternenhimmel nicht mehr sähen, der ihnen beim Navigieren helfe.

Von wegen „Ich seh den Sternenhimmel, oh oh“, Sie erinnern sich, Hubert Kah aus der Zeit der Neuen Deutschen Welle? Aber das war Anfang der Achtziger, da leuchtete es noch nicht allerorten und Hessen war SPD-regiert, weshalb dies aus CDU-Sicht ohnehin eine finstere Zeit für das Land war. Da sangen „The Smiths“, die beste aller Indie-Bands, auch noch völlig ungeniert „There is a light that never goes out“ – heute sowas von verpönt!

Selbst die Wachstums- und Blühzyklen von Pflanzen würden teilweise durch künstliche Lichtquellen verändert, meldet Hinz. Um Himmels willen, ich bin ja schon ganz geblendet von so vielen Schreckensvisionen! Eine Flora, bestehend nur noch aus Nachtschattengewächsen, wollen wir natürlich keinesfalls haben.

Aber gut, dass Hessen eine so umsichtige Ministerin hat, die uns mit einer Broschüre voller guter Tipps Erleuchtung verschafft. Besseres, modernes, effizienteres – und natürlich alles in allem ohnehin weniger Licht, so lautet Hinz’ Ansatz. Dann klappts auch mit dem Blick zum Firmament: Mit der verringerten Lichtverschmutzung eröffne sich auch wieder die Möglichkeit, die Faszination des sternenreichen Nachthimmels erleben zu können, schwärmt die hoffentlich nicht schlafwandelnde Ministerin.

So, liebe Leser, wer von Ihnen jetzt immer noch seine weihnachtlichen Lichterketten, Leuchtfiguren und Elektrosterne draußen blinken lässt: Ausschalten, abhängen, aber bitte ganz schnell. Wir wollen alle wieder den Sternenhimmel sehen! Naja, und wenn’s dann immer noch nicht klappt, liegt’s an dem dauernden Wolkengrau, das uns tags das Sonnenlicht raubt, nachts den Blick aufs Himmelszelt verwehrt. Frau Hinz, haben Sie dagegen denn nicht auch mal eine Broschüre?
Tja, die Lichter gehen aus, „Grün wirkt“ also, um mal an den Wahlslogan der Partei zu erinnern. Hinz bekommt in ihrer Verdunklungsmission Unterstützung von ihrem Parteifreund Tarek Al-Wazir. Der Wirtschaftsminister will auf einer Pressekonferenz beleuchten, wie Hessens Gemeinde und Städte zunehmend ihre Straßenlaternen auf sparsamere und dennoch bessere LED-Technik umrüsten. Aber Vorsicht, warnt Hinz: Der Gesamtverbrauch und die Lichtverschmutzung seien in den vergangenen Jahren trotz LED gestiegen. Denn häufig wird nun mehr, heller und länger beleuchtet.
Hm, nicht dass nun ein Wettstreit zwischen den beiden entbrennt, wer die hellere Leuchte ist?

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 17. Januar 2018

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