Wer ist bereit für morgen?

„Bereit sein ist alles“, ließ schon Shakespeare seinen Hamlet sagen. Die Worte des großen Dichters haben sich Ministerpräsident Volker Bouffier und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir offenbar zu Herzen genommen: „Hessen ist bereit für morgen“, schallt es aus der Staatskanzlei. Unter diesem „Motto“, so erfahren wir, sollen alle Minister und Staatssekretäre im Zuge sogenannter Zukunftswochen in den kommenden Monaten zu rund 100 Terminen im ganzen Land ausschwärmen und Einrichtungen und Projekte besuchen, die „für die Schwerpunkte der Politik der schwarz-grünen Landesregierung und die Zukunftsfähigkeit Hessens stehen“.

Schwerpunkte also! Unter Bouffiers Amtsvorgänger Roland Koch hätten dieserlei Dinge wohl „Leuchttürme“ geheißen. Deren Strahlkraft ist mittlerweile – sofern sie je bestanden hat – weitgehend verglüht oder wenigstens stark abgedimmt (Turbo-Abi G8, Flughafen Kassel-Calden, Erweiterung der European Business School, Privatisierung des Uniklinikums Gießen/Marburg). Da klingt „Schwerpunkt“ irgendwie gewichtiger, oder? Weniger irrlichternd.

Nachhaltiges Wachstum, Wohlstand, Schutz der Umwelt, Förderung der Attraktivität von Stadt und Land stehen laut Bouffier für die Zukunftswochen „im Fokus.“ Los ging’s am Dienstag: Al-Wazir begab sich zur Autobahn-Tank- und Rastanlage Lorsch-West, um dort laut Programm einer „Schwerpunktkontrolle Wohnungseinbruchsdiebstahl“ beizuwohnen.

Ja, richtig so, oder? Diese Kriminellen sollten doch wohl tunlichst keine Zukunft haben in Hessen! Das sieht Günter Rudolph von der SPD wahrscheinlich grundsätzlich genauso, allerdings fragt sich der Parlamentarische Geschäftsführer seiner Landtagsfraktion, was der grüne Wirtschaftsminister dabei an der Tanke Lorsch-West zu suchen hat: „Eigentlich würde man erwarten, dass der Minister im Büro genug zu tun hätte – die Probleme in seinem Zuständigkeitsbereich sind schließlich zahlreich und schwerwiegend.“ Dass er seine Zeit stattdessen auf der Autobahnraststätte verbringe, „um sach- und fachfremd bei einer Polizeiaktion herumzustehen“, dürfte für die meisten Menschen im Land unverständlich sein, schimpft Rudolph.

Ach was, werden Bouffier und Al-Wazir sich angesichts des grantelnden Günter Rudolph denken und stellen klar: „Wir haben einen klaren Kurs und einen Kompass für unsere Heimat Hessen, und wir haben Mut zur Zukunft.“ Das sieht Rudolph natürlich auch anders. „Das würde ja bedeuten, dass es bei Schwarz-Grün irgendeine Idee für die Zukunft unseres Landes gäbe, davon ist aber weit und breit nichts zu sehen.“ Eine ausgelaugte CDU schleppe sich ideen- und konzeptlos durch die letzten Monate ihre Regierungszeit, befand Rudolphs Parteifreundin Nancy Faeser bei der jüngsten Vorstellung einer Umfrage für die Landtagswahl im Oktober.

Jaja, die Wahl – laut des „Hessentrends“ des Hessischen Rundfunks droht danach eine ähnlich unklare Zukunft wie im Bund. Schwarz-Grün hätte keine Mehrheit mehr. SPD-Generalsekretärin Faeser glaubt anhand der Zahlen zwar, der „Wechsel in Hessen rückt näher“ – aber eine irgendwie SPD-geführte Regierungsmehrheit ist auch nicht in Sicht. Was für das eingangs ausgerufene Motto der Landesregierung „Bereit für morgen“ also eher die Präzisierung verlangt, „wer“ für morgen bereit sein muss?

Immerhin sei SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel Amtsinhaber Bouffier „in Schlagweite auf den Fersen“, deutet Faeser aus den Zahlen. Allerdings wird der Ministerpräsident ja bekanntlich nicht direkt gewählt, sondern über eine Parteiliste. Das weiß Faeser natürlich auch, aber was soll’s: „Bereit sein ist alles.“

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 24. Januar 2018

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