Hessenland, Männerland

Sie war tatsächlich da. Die Kanzlerin, in einer Groß-Gerauer Schule. Das Wort von Angela Merkel gilt. Erstaunlicherweise versprach sie den Besuch in einer Wahlsendung vor der Bundestagswahl – und mit Versprechen vor der Wahl ist es hinterher ja immer so eine Sache.

Und sie kommt bald schon wieder. Die Kanzlerin, nach Hessen. Am 28. November wird Angela Merkel die Wilhelm-Leuschner-Medaille im Kurhaus zu Wiesbaden verliehen. Zugeteilt von Volker Bouffiers Gnaden, denn „über die Verleihung der Leuschner-Medaille entscheidet der Hessische Ministerpräsident kraft Amtes“, belehrt uns die Staatskanzlei.

Das Plakettchen ist immerhin die „höchste Auszeichnung, die unser Land zu vergeben hat“, so Bouffier, und geht an „Persönlichkeiten, die sich beispielhaft und nachhaltig für Demokratie und Freiheit eingesetzt sowie Staat, Gesellschaft und Kultur in vorbildlicher Weise geprägt haben“.

Ah, wie staatstragend! Da kommt die Kanzlerin gerade recht, denn die soll nun im 25. Jahr nach dem Mauerfall „für ihre Verdienste um Freiheit und Demokratie im geeinten Deutschland“ geehrt werden.

Die Bundeskanzlerin als oberste Lenkerin der Republik ist wohl ganz sicher eine sogenannte Führungskraft. Solcherlei Kräfte wollen CDU und Grüne laut Koalitionsvertrag mehr von weiblicher Natur sehen, wie sie am Freitag mal wieder betonten.

Doch irgendwie scheint es mit der Umsetzung zu hapern. Sagt zumindest die sogenannte frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Lisa Gnadl, und beruft sich auf eine Kleine Anfrage im Landtag „in Sachen Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst“. In manchen Ministerien seien die Führungsriegen nach wie vor „frauenfreie Zonen“, konstatiert Gnadl und weist auf Innen-, Wirtschafts- und Finanzministerium.

Dabei hätte es gerade im Innenministerium die Chance zur mehr Weiblichkeit gegeben, meint Gnadl. Die Leitung der Rechtsabteilung und damit gleichzeitig auch die Landeswahlleitung sei doch vakant gewesen. „Es wurde wieder ein Mann“, barmt sie. Sicherlich hätte sich doch auch eine qualifizierte Juristin in der Landesverwaltung gefunden. Bestimmt, so spekuliert die SPD-Frau ganz generös, „sogar eine mit CDU-Parteibuch“.

Und ausgerechnet im für Frauenfragen zuständigen Ministerium (dem Sozialen) sei die gesamte Hausspitze jetzt mit Männern besetzt, ein Minister und zwei Staatssekretäre. Befremdlich für Gnadl: „Wer glaubt, dass Männer von sich aus gute Frauenpolitik machen, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.“

Der Frauenanteil in Vorständen von Unternehmen mit Landesbeteiligung werde zudem immer geringer und in den Hochschulräten sinke die Quote in Hessen, während sie im Rest der Republik steige, listet Gnadl weiterhin auf.

Und wissen Sie was, Frau Gnadl? Bei der Verleihung der Leuschner-Medaille geht es auch ungerecht zu! 183 männlichen Preisträgern stehen lediglich 36 weibliche gegenüber.

Na immerhin ist die neue Preisträgerin Merkel eine Frau. Überhaupt, „die CDU Hessen muss weiblicher werden“, forderten Parteichef Bouffier (männlich) und Generalsekretär Manfred Pentz (männlich) jetzt auf der Landesdelegiertenversammlung der Frauen Union. Wenigstens hat deren Vorsitz mit der Landtagsabgeordneten Petra Müller-Klepper eine Frau inne! Und auch noch eine mit Doppelnamen.

Leider arbeiteten immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst, beklagt auch die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Siegfried, äh sorry, Sigrid Erfurth.

Gleichzeitig verweist sie auf das hehre schwarz-grüne Koalitionsziel, den öffentlichen Dienst zum „Vorbild für Geschlechtergerechtigkeit“ zu machen. Und wann wird das so weit sein? Da schwant Erfurth nichts Gutes: „Dieses Ziel lässt sich nicht kurzfristig verwirklichen.“

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 1. Oktober 2014

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