Busfahrten

Kaffeefahrten sind, da dürfte mal Einigkeit herrschen, eine wirklich böse Sache. Vertrauensseligen Rentnern werden nette Gratis-Busreisen vorgegaukelt, um sie dann knallhart zum Kauf von Heizdecken, Vitaminpräparaten und sonstigem überteuerten Schnickschnack zu drängen. Aber zum Glück gibt es ja Hessen und die dortige Verbraucherschutzministern Lucia Puttrich von der CDU. Die will zusammen mit ihrer bayerischen Amtskollegin Beate Merk von der Schwesterpartei CSU Schluss machen mit der Abzocke.

Erst die Busfahrt, dann die Verkaufsveranstaltung an einem abgeschlossenen Ort, auf dass keiner der zwangsbeglückten Kunden fliehen kann –  dieses Szenario wollen Puttrich und Merk stoppen und haben einen entsprechenden Antrag in der Konferenz der Verbraucherschutzminister gestellt, der auch angenommen wurde. Höhere Bußgelder und ein generelles Verkaufsverbot von Pillen und Pasten bei kostenlosen Bustouren sollen die skrupellosen Veranstalter ausbremsen.

Dabei ist die Ministerin Busfahrten nicht grundsätzlich abhold. Sie selbst schickt ebenfalls ein solches Gefährt auf Hessentour. 1400 Kilometer und Haltestellen in 20 Städten. Wobei jetzt die Heizdecke im Zwölf-Meter-Bus der Ministerin thematisch nicht so weit weg ist. Im Infobus der Hessischen Landesregierung, so der offizielle Name, geht es nämlich auch um Wärme. Aus alternativen Energiequellen natürlich, etwas anderes lässt der Zeitgeist ja gar nicht mehr zu. Eine hochwertige interaktive Ausstellung zu den Themen erneuerbare Energien und Energieeffizienz verspricht Busunternehmerin Puttrich.

Das ist doch sehr schön, und es wird auch garantiert nichts verkauft! Sogar die Grünen freuen sich, obgleich das natürlich Wilderei in ihren Themen ist: „Wir unterstützen jede Information zum Energiesparen und den Umstieg auf erneuerbare Energien.“ Auch Puttrichs Parteifreund aus der CDU-Landtagsfraktion, Peter Stephan, vergisst vor lauter Begeisterung die Parteigrenzen und macht rhetorisch zumindest ganz auf den SPD-Altvorsitzenden Müntefering („Ich kann nur kurze Sätze“): „Wir wollen Energiewende, wir können Energiewende und wir machen Energiewende.“

Nur die SPD traut der Reiseleitung nicht. „Frau Puttrich, wer räumt Ihrem Bus die Bremsklötze weg?“, fragt deren Abgeordneter Timon Gremmels. Als Bremser sieht der Genosse vorneweg Wirtschaftsminister Florian Rentsch und Ministerpräsident Volker Bouffier und schlägt deshalb zwei weitere Haltepunkte auf der Busfahrt vor: Die Staatskanzlei und das Wirtschaftsministerium in Wiesbaden zwecks Fortbildung für die Hausherren Bouffier und Rentsch.

Hessentour hin, Hessentour her, in die Ferne zieht es Puttrich aber auch noch: Nach Indien, um sich ökologischen Teeanbau in Darjeeling anzuschauen. Da nimmt sie aber das Flugzeug, nicht den Bus.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 19. September 2012

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