Nasenringe aus Phosphor

Erinnern Sie sich noch an die coole Textzeile „Die kleinen Mädchen aus der Vorstadt tragen heute Nasenringe aus Phosphor“ aus dem Lied „Hurra, hurra, die Schule brennt“ der Band Extrabreit? Ja, damals, Anfang der Achtziger, da lebten die jungen Mädchen so sorglos vor sich hin und trugen eben Nasenringe aus Phosphor. Heutzutage, im Zeichen unbedingten Umweltbewusstseins – unvorstellbar. Ein Unding gar! Denn Phosphor, so klärt uns Umweltstaatssekretärin Beatrix Tappeser auf, „ist ein endlicher Rohstoff“ und Lieferengpässe seien künftig nicht auszuschließen. Oje, und das angesichts der Bedeutung der chemischen Industrie in Hessen und Deutschland ohnehin.
Das natürliche Vorkommen des chemischen Elements mit dem schlichten Kürzel „P“ sei nämlich nur auf wenige Länder beschränkt. Ich habe für Sie, liebe Leser, extra mal nachgeschaut, welche Länder das denn sind. Laut der geschätzten Online-Enzyklopädie Wikipedia besitzen gerade mal vier Staaten rund 80 Prozent an den weltweiten Phosphatgestein-Reserven: Marokko, China, Jordanien und Südafrika. Ja, alles jetzt keine Länder, denen man seinen Opa anvertrauen möchte – geschweige denn seine Phosphorversorgung.

Deshalb heißt die Devise aus dem grün geführten Umweltministerium in Wiesbaden nun „Phosphorrückgewinnung“. Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man ’nen Arbeitskreis, lautet ja bekanntlich einer der wichtigsten Grundsätze in der Politik, und so hatte die Staatssekretärin am Dienstag zum „Phosphordialog“ mit 140 Gästen nach Frankfurt geladen.

Tappeser selbst ist gänzlich unverdächtig, Anfang der Achtziger wie die besungenen jungen Mädchen Nasenringe aus Phosphor getragen zu haben, denn sie war damals bereits Ende 20 und hat sich daher wohl nicht dieser Ressourcenverschwendung schuldig gemacht. Aber das zeichnet eben Menschen aus, die sich fürs Volk verdient machen: Auch mal die Kastanien aus dem Feuer beziehungsweise die Kacke vom Acker holen, wenn man nicht schuld ist. Ja, liebe Leser, Sie lesen das ganz richtig mit diesem Fäkalwort, das hier normalerweise nichts zu suchen hat. Um nichts anderes geht es nämlich in dem Plan der Frau Tappeser: Phosphor aus hessischem Klärschlamm zurückgewinnen.

Klärschlamm aus kommunalen Abwasseranlagen enthalte nämlich erhebliche Phosphor-Mengen und damit ein Potenzial, das dringend ausgeschöpft werden müsse, klärt die Staatssekretärin auf. Praktisch in diesem Zusammenhang, dass der Bundestag im Juni dieses Jahres eine „Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung“ beschlossen hat, die voraussichtlich im Herbst in Kraft treten wird. Das Ausbringen von Klärschlämmen auf Ackerflächen wird darin weitgehend untersagt und eine Pflicht zur Phosphorrückgewinnung eingeführt. Damit ist ja dann hoffentlich mindestens mal die Versorgung Hessens gesichert!

Phosphor wurde laut Wikipedia übrigens 1669 von einem deutschen Apotheker und Alchemisten entdeckt, als dieser Urin bis zur Trocknung eindampfte. Wie? Der wackere Forscher war dabei getrieben von der Suche nach dem „Stein der Weisen“, der unedle in edle Metalle verwandeln könnte.
Na, da wandelt Tappeser ja beherzt auf alchemistischen Pfaden: Sie versucht auch so etwas wie aus Scheiße Gold zu machen.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 20. September 2017

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