Gummistiefel-Gate

Bannmeile ist irgendwie ein brachiales Wort, finden Sie nicht auch? Furchterregend, abschreckend – und genau das soll es auch sein! Damit ist nämlich ein Kreis gemeint, in dem laut Paragraf 1 des sogenannten Gesetzes über die Bannmeile des Hessischen Landtags „öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge grundsätzlich verboten sind“.

Sprich, sollten Gegner der Regierungspolitik gegen selbige protestieren wollen, dürfen sie dies nicht direkt vor dem Landtag tun, sondern maximal bis zum Dernschen Gelände heranrücken. Das ist vor anderen Landtagen genauso, ebenso vor Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht. Beabsichtigt wird damit offiziell der Schutz der Arbeit dieser Verfassungsorgane vor dem unmittelbaren Druck einer Menschenmenge. Auf Deutsch: Die Parlamentarier sollen vor dem rasenden Mob geschützt werden, der sich mit Wurfgeschossen und Knüppeln davor zusammenrotten könnte.
In den vergangenen Jahren waren dies aber meist Lehrer und Polizisten, die sich friedlich über mangelnde Wertschätzung und zu wenig Lohn beklagten und bloß Transparente und Trillerpfeifen in den Händen hielten.
Aber jüngst das: Menschen mit Gummistiefeln in der Hand. Ignorieren die Bannmeile. Stehen auf der Treppe des Eingangs zum Stadtschloss mit dem bekannten Schriftzug „Hessischer Landtag“. Und Schilder halten sie auch noch hoch. Eskalation pur.
„Eine offensichtlich politische Aktion“, erkennt sofort der Parlamentarische Geschäftsführer der dortigen SPD-Fraktion, Günter Rudolph, der stets sofort alles Skandalbehaftete erkennt. Und er kennt auch die Gesetzesbrecher – es sind die Abgeordneten der Grünen-Landtagsfraktion.
Da standen sie und hielten Gummistiefel in den Händen. Konkret Kindergummistiefel. Unter dem Motto „Gute Kitas für alle“ bejubelten sie damit die Einführung der Beitragsfreiheit an hessischen Kindergärten durch Schwarz-Grün. Waren übrigens alles Gummistiefel von Kindern der grünen Abgeordneten und Fraktionsmitarbeiter. Zum Glück war es an jenem Tag trocken, sonst hätten die Kleinen in Sandalen durch den Regen laufen müssen.
Aber so nicht, meint Günter Rudolph: „Nach unserer Auffassung stellt diese Aktion einen Verstoß gegen das o.g. Gesetz dar“, schrieb er empört an Landtagspräsident Norbert Kartmann. Er bitte doch um kurzfristige Prüfung, wie der Präsident diesen Sachverhalt bewerte und „welche Konsequenzen beziehungsweise Rechtsfolgen“ er daraus ableiten wolle. Also Knöllchen für Kindergummistiefel?
Dienstagnachmittag nun prüfte der Ältestenrat des Landtags die Gummistiefel-Groteske. Es habe bereits ungeahndete vergleichbare Aktionen gegeben, wurde dabei zu bedenken gegeben – angeblich auch seitens der SPD. Oh weh.
Die FDP sah lediglich den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil angeblich Florian Rentsch vor Jahren mit einer Jungunternehmerin dort nicht habe auftreten dürfen. Dolly Buster nämlich, Geschäftsfrau in Sachen Porno. Die hat mit anderen Gummis zu tun.
Ergebnis der Sitzung? Eigentlich keines. Zwar sah außer der SPD keine Fraktion das Bannmeilengesetz verletzt, der Rat vertagte aber die Angelegenheit und übergibt die Sache nun zur Prüfung ans Innenministerium. Ernsthaft.
Gummistiefel-Gate geht weiter.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 13. September 2017

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