Der Experte

Wussten Sie, dass 30 Prozent aller 18- bis 25-Jährigen inzwischen Privatinsolvenz anmelden? Ich nicht, aber das Verbraucherministerium meldet dies und dann wird es schon stimmen. Wenn man sich so umschaut, wie die jungen Leute durchgehend an ihren sündhaft teuren Smartphones rumfummeln, verwundert es aber auch nicht.

Umfragen zeigten, so Verbraucherschutzministerin Lucia Puttrich, dass es um die Finanzkompetenz junger Menschen nicht zum Besten steht, und das halte sie für völlig inakzeptabel. „Hier müssen und wollen wir was tun.“ Richtig so, und Puttrich legt auch gleich los: Sie habe das Netzwerk Finanzkompetenz ins Leben gerufen, um das Finanzwissen von jungen Menschen zu erweitern. Dazu holt die Ministerin Experten an einen Tisch.

Experten! Noch unbestätigten Gerüchten zufolge führt das Heer der hessischen Wirtschaftsweisen der Experte schlechthin an, SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Den hat der Kanzlerkandidat der Genossen, Peer Steinbrück, bekanntlich als Finanzberater in sein Wahlkampfteam geholt.

Dabei ist es wohl weniger darum gegangen, den Vortragsredner Steinbrück zu beraten, ob nun 15 000 oder 25 000 Euro für eine Rede zu verlangen seien, und ob Stadtwerke mehr zahlen müssten, als sagen wir mal die Deutsche Bank.

Nein, Steinbrück beschied dem hessischen SPD-Landeschef Kenntnis-Reichtum mit Blick auf finanzpolitische Fragen. Schäfer-Gümbel sei dem Finanzplatz Frankfurt am nächsten und sei im SPD-Bundesvorstand auch schon mit der künftigen Regulierung der Finanzmärkte befasst gewesen.

Kleinigkeit also, für Finanzberater Schäfer-Gümbel, den jungen Leuten mal zu erklären, dass der ganze iPhone-Hype das Portemonnaie rasant leert und doch statt der teuren Designer-Jacke auch eine Kutte von Kik ausreichend wärmt.

Wobei es böse Stimmen gibt, die Schäfer-Gümbel sämtliche Expertise absprechen. Peter Beuth zum Beispiel, der hessische CDU-Generalsekretär, polterte sofort drauf los, mit Schäfer-Gümbel als Finanzberater mache Steinbrück den Bock zum Gärtner. Dass ausgerechnet Schäfer-Gümbel von Steinbrück als Fachmann für den Finanzplatz gesehen werde, zeige, wie groß der Kompetenzverlust der SPD in Finanzmarktfragen sei.

Ganz böse auch die FDP. Auf den Vorschlag Schäfer-Gümbels, privaten Investoren von Studentenwohnheimen eine bis zu 30 Jahre währende Mietpreisgarantie zu geben, entgegnete Jürgen Lenders, deren wirtschaftspolitischer Sprecher (auch so etwas wie ein Experte), dies zeige ganz offensichtlich die mangelnde wirtschaftspolitische Kompetenz des SPD-Chefs.

Selbst die Linken grätschten in dieser Angelegenheit gegen Schäfer-Gümbel: Bei solchen Vorschlägen werde leider deutlich, warum die Wahl des SPD-Vizekanzlerkandidaten Steinbrück auf Schäfer-Gümbel als seinen Finanzmarkt-Berater fiel, so Herrmann Schaus, wohnungspolitischer Sprecher (auch so etwas wie ein Experte) der Linken.

Am Montag legte FDP-Mann Frank Blechschmidt nach. Dass man es in der SPD zu etwas bringen könne, ohne sich vorher durch irgendwelche Kompetenzen hervorgetan zu haben, zeige die Berufung Schäfer-Gümbels als Finanzmarktexperte des überforderten Kanzlerkandidaten Steinbrück.

Der Liberale nannte Schäfer-Gümbel gar einen selbsternannten Experten. Das, lieber Herr Blechschmidt, stimmt nun aber nicht. Ernannt hat ihn immer noch der Steinbrück. Hoffentlich nicht gegen Honorar.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 16. Januar 2013

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