Von Fischen und Vögeln

Natürlich habe ich ein Herz für Tiere. Auch wenn ich sie gerne esse. Deshalb hat mich die barsche Kritik der Tierschutzorganisation PETA an der Gründung einer Angel-AG an einer Dreieicher Schule auch arg aufgeschreckt. Eine Angel-AG, also eine Arbeitsgemeinschaft, wofür diese Abkürzung im schulischen Bereich steht, ist in den Augen von PETA eine Einrichtung, „in der die Kinder und Jugendlichen lernen, wie man friedliche Tiere mit einem Köder anlockt und ihnen einen Haken durch den Mund bohrt“.

Oje! Das Töten von empfindungsfähigen Tieren dürfe kein Lernangebot sein, befindet eine Frau Tanja Breining, die sich „Fachreferentin für Fische und Meerestiere“ bei PETA nennt. Denn: „Fische sind neugierige und freundliche Wirbeltiere mit individuellen Persönlichkeiten. Sie haben ein komplexes Sozialleben, kommunizieren auf vielfältige Weise und schließen Freundschaften.“ Und sie könnten Schmerzen spüren.

Also solle die Heinrich-Heine-Schule in Dreieich doch bitte diese AG durch ein tier- und kinderfreundliches Angebot ersetzen, meint PETA, denn „im Angelunterricht wird den Schülern ihr natürliches Mitgefühl abtrainiert“. „Könnten Fische schreien, würde niemand mehr behaupten, Angeln sei eine Aktivität für Schüler“, sagt die Fischfachreferentin.

Das ist in der Tat einigermaßen erschütternd. Aber es kommt ja noch viel schlimmer. Zum einen, weil die Links-Partei im Kreis Offenbach, wozu Dreieich gehört, erst wenige Tage zuvor bilanziert hatte, „die politische Bilanz des Kreises in Sachen Tierschutz fiel 2016 eher dürftig aus“ ,und für 2017 aktiveren Tierschutz im Kreis einfordert. Da passt natürlich so eine Angel-AG überhaupt nicht ins tierschutzpolitisch korrekte Bild.

Eine viel schlimmere Bedrohung für Hessens Fische ist allerdings – glaubt man Hessens Fischern – der Kormoran. Dieser „Fischräuber“ überfalle in Arbeitsgemeinschaften (oder in diesem Fall wohl besser: Schwärmen) von 200 bis 300 Vögeln Seen und Flüsse und richte mit seiner Gier immensen Schaden an den Fischbeständen im Land an, sagt Klaus Däschler, Präsident des Verbands Hessischer Fischer.

Glaubt man dem Verband, handelt es sich beim Kormoran um ein wahres Monster: „Wie eine Wanderheuschrecke“ ziehe der „gefräßige Räuber“ von Gewässer zu Gewässer und mache keinen Halt „vor der Ausrottung ganzer Fischbestände und Arten“. Um Himmels Willen, was kommt da bloß auf die friedlichen, neugierigen, freundlichen Fische mit ihren individuellen Persönlichkeiten und komplexem Sozialleben vom Himmel herabgestürzt?

Offenbar der schlimmste anzunehmende Fischräuber, der in vermuteter 2000-facher Ausbreitung in Hessen nach Berechnungen der Fischer 1.440.000 Fische im Jahr hierzulande tötet – und frisst. Dafür müssten die Schüler der Dreieicher Angel-AG lange angeln!

Der Fischerverband sieht folglich nur eine Möglichkeit: „dezimieren“ – also die Kormorane, denn alle Vorschläge, den „gefräßigen Räuber“ fernzuhalten (Netzabdeckungen über die Gewässer, lautes Klatschen), sind laut Fischer-Präsident Däschler „absoluter Unsinn“. Problem nur: Der Kormoran zählt zu den besonders geschützten Arten in Deutschland.

Preisfrage also, PETA: Was ist nun schützenswerter? Der freundliche Fisch oder der gefräßige Kormoran?

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 18. Januar 2017

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