Lieblos in Hanau

Das haben sie ja ganz toll hinbekommen, die zwei Umweltministerinnen, Lucia Puttrich damals und auch ihre Nachfolgerin Priska Hinz: Seit mehr als zehn Jahren zog das Techno-Festival „Love Family Park“ Tausende Besucher nach Hanau. 20.000 sogenannte Raver bei diesem längst zum Kultspektakel gewordenen Festival auf den dortigen Mainwiesen sind eine Veranstaltungsgröße, die man sich eigentlich doch nicht einfach entgehen lassen sollte.

Sollte man meinen, Hessen tut es trotzdem.

Die jährliche Ausnahmegenehmigung für die Megaparty will das Umweltministerium nämlich nicht mehr erteilen, weil das Gelände Teil des Landschaftsschutzgebietes Hessische Mainauen ist. Ich sag’ es Ihnen ganz ehrlich, ich wusste bis vor drei Jahren auch nicht, was der „Love Family Park“ ist. Als ich aber seinerzeit am Strand im türkischen Antalya ein Paar aus Stuttgart traf, das mir erzählte, es führe jedes Jahr deshalb ausgerechnet nach Hanau, dämmerte mir, dass es sich um etwas Bedeutsames handeln müsse.

Tja, und dieses bedeutsame Spektakel wandert jetzt eben nach Mainz ab. Schön für Mainz, dumm für Hanau – und auch irgendwie für das Image von ganz Hessen.

Selbst 12.000 Unterstützer einer Onlinepetition für den Verbleib in Hanau konnten Hinz nicht umstimmen, das noch von ihrer CDU-Vorgängerin erlassene Verbot zu kippen. Aber da ist Hinz ja ohnehin linientreu – Puttrichs katastrophale Verfügung zur Biblis-Stilllegung ist nach dem schwarz-grünen Koalitionsstart plötzlich auch nicht mehr so schlimm in den Augen der Grünen.

Kompromisslos dagegen war Hinz gegenüber McDonald’s. Sie kündigte sofort die Zusammenarbeit des Landes mit dem Buletten-Bräter, weil der fortan auch Hähnchenfleisch von Zulieferern beziehen will, die gentechnisch verändertes Futtermittel einsetzen. Ein McChicken mit Gen-Hühnerschnitzel zwischen den labbrigen Brötchenhälften – nein, das stieß Hinz dann doch zu übel auf.

„Ab in die Mitte“ ist so eine von dem Fastfood-Giganten unterstütze Landesaktion, eine sogenannte Innenstadt-Offensive. Ein weiterer Unterstützer ist die Frankfurter Binding Brauerei. Da braucht Hinz wohl keine Bedenken zu haben, die brauen ihr Bier – hoffentlich – auch weiter nach dem Deutschen Reinheitsgebot!

Lucia Puttrich hingegen, die ja nun mit Biblis und Gen-Burgern nichts mehr zu hat, ist in ihrer neuen Rolle derzeit aber auch im Stress. Aktuell läuft wieder die „Europawoche“, in der sich die EU dafür feiern lässt, dass es sie gibt. Und Hessen ist ja so etwas von mit dabei: „Hessen handelt, Hessen bewegt und Hessen macht mit“, lautet das Motto der Landesregierung. Wahnsinn, da klingt ein solcher Tatendrang, ein solcher Aktionismus, ein solches Ungestüm durch – man ist überwältigt.

Mindestens das halbe Kabinett schwärmt dazu im ganzen Land aus, um sich für den „europäischen Gedanken“ zu engagieren. Puttrich besuchte beispielsweise mit EU-Geldern gepäppelte Przewalski-Pferde in Gießen. Diese einst fast ausgestorbenen Urwildpferde gibt es übrigens auch in Hanau. Noch unklar ist, ob diese weiter dort weiden dürfen oder gleich mit den Techno-Jüngern nach Mainz weiterziehen.

Der Rest der Regierungsmannschaft sucht vorzugsweise Einrichtungen mit seltsamen Abkürzungen auf. So besucht Sozialminister Stefan Grüttner das Projekt „AjuMa“, sein Staatssekretär Wolfgang Dippel zieht es zu etwas namens „QuABB“. Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein muss an die „AdRIA“. Hoffentlich sagt einer seiner Subalternen dem – mit nicht ganz so großen Vorkenntnissen in sein neues Ministerium gestarteten – Frankfurter, dass er dafür nicht an die italienische Küste fliegen, sondern nur seinen Dienstwagen zum Fraunhofer-Zentrum für „Adaptronic Research Innovation Application“ nach Darmstadt dirigieren muss.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 7. Mai 2014

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