Dolles Darmstadt

„Tooor, Tooor, Tooor für Darmstadt, Elton da Costa, (. . .), das ist der Aufstieg!“ Fast wie beim berühmten „Wunder von Bern“ anno 1954 kreischte der HR-Reporter am späten Montagabend ins Mikro und konnte den entscheidenden vierten Treffer für die Lilien kaum fassen.

Um beachtliche 23.03 Uhr folgte bereits die Pressemitteilung aus der Staatskanzlei der beiden freudig erregten Herren Volker Bouffier und Peter Beuth, Ministerpräsident und Sportminister ihres Zeichens. Eine Sensation sei den Darmstädtern gelungen, das Team habe mit Kampfgeist und Leidenschaft aus dem Rückspiel ein Herzschlagfinale gemacht, schwärmte Bouffier. Das Spiel werde in die Vereinsgeschichte der Lilien als „Wunder von Bielefeld“ eingehen. Da ist es also wieder, so ein berühmt-berüchtigtes Fußballwunder!

Wobei es jetzt natürlich wieder Stimmen aus Kreisen von Verschwörungstheoretikern geben wird, die behaupten werden, das Spiel auf der Bielefelder Alm habe gar nicht stattgefunden. Wieso das nicht? Na, weil es Bielefeld doch angeblich gar nicht gibt – googeln Sie mal „Bielefeldverschwörung“! Darin wird die Existenz der Stadt Bielefeld komplett in Frage gestellt. Behauptet wird, dass alle Hinweise darauf Teil einer groß angelegten Verschwörung sind – wahlweise des CIA, des Mossad oder von Außerirdischen –, um die Menschheit von der vermeintlichen Existenz dieser Stadt zu überzeugen!

Wenn es nun also Bielefeld nicht gibt, so existiert natürlich auch kein Fußballverein namens Arminia Bielefeld, gegen den dann Darmstadt 98 folgerichtig keine Relegation gespielt haben kann.

Quod erat demonstrandum.

Wie dem auch immer sei, Darmstadt spielt nun also nächste Saison in der 2. Bundesliga, was Peter Beuth den „allergrößten Respekt“ abnötigt: „Als Hessischer Sportminister freut es mich ganz besonders, wenn hessischen Vereinen ein solcher Triumph glückt.“

Das hat er fast wortgleich auch schon am Samstag verkündet, als die Frankfurter Fußballerinnen den DFB-Pokal holten: „Natürlich freue ich mich als Hessischer Sportminister ganz besonders über den Pokalsieg des 1. FFC Frankfurt.“ Klingen irgendwie etwas arg pflichtschuldig, diese Jubelbekundungen, oder? So der Funktion geschuldet. Man muss es Beuth aber nachsehen, er ist schließlich Fan von Borussia Mönchengladbach, und das ist ja auch nichts Unanständiges.

Nachdem sich Bouffier und Beuth also wie Bolle über den Aufstieg der Darmstädter gefreut haben, sollte ihnen der nun geforderte Griff in die Staatsschatulle eigentlich leicht fallen. Oder auch nicht, es geht immerhin um 14 Millionen Euro, die der Verein gerne vom Land hätte, um ein zweitligataugliches Stadion zu bauen. Das alte Böllenfalltor erfüllt die Anforderungen leider nicht.

Da können die Darmstädter direkt auf einen ungeliebten Nachbarn verweisen und auf Gleichbehandlung pochen. Die Offenbacher Kickers haben nämlich vor fünf Jahren zwölf Millionen Euro aus der Landeskasse für ihr neues Stadion bekommen. Den Bescheid überreichte übrigens damals noch Bouffier als zuständiger Minister für Inneres und den Sport. Voriges Jahr musste das Land dem OFC dann sogar noch mit einer Bürgschaft über zwei Millionen Euro aus der Finanzmisere helfen.

Brachte alles nichts. Wegen eines Formfehlers im Lizenzantrag mussten die Kickers dann doch aus der 3. in die Regionalliga absteigen. Ironie des Schicksals: Vom Zwangsabstieg der Kickers profitierten ausgerechnet die eigentlich bereits abgestiegenen Darmstädter Lilien mit dem Verbleib in Liga 3 – ohne das Drama von Offenbach also kein „Wunder von Bielefeld“.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 21. Mai 2014

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