Diese Darmstädter Teufelskerle! Oder, so kurz nach Pfingsten kirchenpolitisch korrekter: diese Darmstädter Lilien! Legen die mit ihrer Low-Budget-Truppe einen glatten Durchmarsch von der dritten in die erste Liga hin!
Die unglaublichen Relegationsspiele der 98er vor einem Jahr gegen Bielefeld sind noch in wacher Erinnerung, da geht es schon wieder eine Klasse höher. Und dieses Mal sogar ohne Relegation. Direkt durch. Wobei, eine Relegation gegen den siechen HSV hätten die Lilien in voller Blüte sicher auch noch geschafft . . .
Da war natürlich auch die pflichtschuldige Freude groß bei unseren Großkopferten aus der Landespolitik. „Mit dem Aufstieg in die Bundesliga hat der SV Darmstadt 98 seiner unglaublichen Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre ein weiteres überraschendes Kapitel hinzugefügt“, ließ Ministerpräsident Volker Bouffier am Sonntag prompt mitteilen.
Aber Moment mal, war das noch so überraschend? Immerhin stand die Mannschaft schon seit langem auf einem oder um einen Aufstiegsplatz herum! Wo war Bouffier? Er freue sich auf alle Fälle sehr für die Lilien, so der sportbegeisterte Landesvater, und sei „stolz, mit Darmstadt 98 künftig einem weiteren hessischen Verein in der Fußball-Bundesliga die Daumen drücken zu dürfen“. Das gesamte Team habe eine tolle Saison hinter sich und den Aufstieg absolut verdient.
Und überhaupt, sei es ja „ein tolles Fußballwochenende für uns Hessen, weil der FSV Frankfurt den Verbleib in der 2. Liga gesichert hat“. Naja, immerhin . . .
Da hatte Bouffier anderen Frankfurter Kickern zu mehr zu gratulieren. Äh, nein, ich meine jetzt nicht die Eintracht.
Nein, die kickenden Damen hatten doch die Champions League gewonnen, erinnern Sie sich? „Vier Titel in der europäischen Königsklasse sind außergewöhnlich“, schwärmte Bouffier vor knapp zwei Wochen. Mit dieser herausragenden Teamleistung habe der 1. FFC Frankfurt erneut bewiesen, dass er eine Größe ist, mit der man international fest rechnen müsse.
Auch wenn damit ja eigentlich alles gesagt zu sein scheint, gibt es doch auch noch einen offiziell für den Sport zuständigen Minister: Peter Beuth, nebenbei auch noch für Inneres in der Pflicht. Um Bouffiers Lobeshymnen zu toppen, musste Beuth verbal zu Superlativen und Mirakeln greifen: Für den Darmstädter Aufstieg zolle er „den Spielern, aber auch der sportlichen Leitung und dem gesamten Umfeld meinen allergrößten Respekt“.
Auf dem Papier komme der Bundesligaaufstieg „vielleicht einem Wunder gleich“. Doch sei „dieser großartige Erfolg“ natürlich das „Resultat von akribischer Arbeit, großem Engagement und absolutem fußballerischem Sachverstand “. Gesegnet, wer über solcherlei verfügt!
Da wollte Beuth sich natürlich nicht lumpen lassen und hat die Lilien auch noch mit Geld gesegnet. Am Montag hat der Minister zwei Förderbescheide über knapp 100 000 Euro überreicht: 48 000 Euro für das Darmstädter Fan-Projekt, das wichtige Arbeit im Rahmen der Gewaltprävention leiste und erheblich dazu beitrage, dass Fußball eine friedliche Angelegenheit bleibe, so Beuth.
Ja, und dann ist da noch das berüchtigt-marode Böllenfalltor-Stadion. Einhergehend mit dem sportlichen Aufstieg müsse auch die Spielstätte für die kommende Saison auf Bundesliga-Niveau gebracht werden, weiß der Minister. Dazu müsse unter anderem der Kunstrasen auf dem Trainingsgelände in ein Naturrasenspielfeld umgewandelt werden – wofür Beuth noch mal 50 000 Euro spendierte.
Immerhin, denn die Duschen in den Mannschaftskabinen bleiben erstmal kalt, und wann das neue Stadion kommt ist völlig offen. Vielleicht 2018? Wo auch immer dann die Lilien spielen.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 27. Mai 2015