Weg mit dem Nobelpreis!

Geradezu visionär erscheint uns im Nachgang das Vorpreschen Jörg-Uwe Hahns im Juli dieses Jahres. Da hat der FDP-Landesvorsitzende und Justizminister verlangt, die EU solle US-Präsident Barack Obama auffordern, seinen Friedensnobelpreis doch bittschön zurückzugeben. Anlass waren damals die Vorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst NSA, Millionen deutscher Datensätze auszuspähen. Obama habe den Friedensnobelpreis dafür bekommen, dass er die Welt zusammenführe, empörte sich Hahn seinerzeit im Interview mit unserer Zeitung: „Das hat er ja wohl total vergeigt!“ Wie wahr, wie wahr.

Jetzt hat sich gezeigt, dass nicht nur der deutsche Michel ausgespäht wird, sondern sogar die deutsche Kanzlerin. Ganz unabhängig davon, dass ein Handy von Otto Normalbürger genauso unantastbar sein sollte wie das von Angela Merkel, ist die Spähattacke gegen das Mobiltelefon einer Regierungschefin – einer offiziell befreundeten gar! – politisch und diplomatisch doch noch mal ein ganz anderes Kaliber.

Wie war noch die Dauerentschuldigung der Amis für Drohnenangriffe bis zur Datenschnüffelei? Der Kampf gegen den Terror! Den mag man den Amerikanern nach den Anschlägen gegen das World Trade Center am 11. September 2001 sicher zugestehen. Aber Angela Merkel? Terrorverdächtig?

Wie führte Hahn seine Forderung in der Frankfurter Rundschau damals weiter aus? Den Preis habe Obama 2009 aufgrund seiner „außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“ erhalten – da habe er wohl etwas gründlich missverstanden, so mutmaßte der Minister.

Wie wahr, wie wahr. Diplomatie und Zusammenarbeit zwischen den Völkern durch massenhaftes Ausspähen von deren Bürgern und Staatschefs stärken zu wollen, ist schon sehr eigenartig. Obama und der Friedensnobelpreis – die wohl die absurdeste Entscheidung, die das Nobelkomitee je getroffen hat.

Ob unser hessischer Regierungschef Volker Bouffier auch von der NSA abgehört wird, ist derzeit nicht bekannt, Mal sehen, was der Überläufer Edward Snowdon noch so loslässt. Die US-Spione hätten aber eh viel Arbeit mit Bouffier, denn der verliert sein Handy ja gern mal. So wie im September vergangenen Jahres im Flieger von Berlin nach Frankfurt. Und misstrauisch ist er außerdem: „Ich habe da sowieso immer Skepsis, dass jemand mithört.“

Die Linken argwöhnen in diesem Zusammenhang ganz Schlimmes. Wenn die US-Streitkräfte ihr europäisches Hauptquartier nämlich erst von Heidelberg nach Wiesbaden-Erbenheim verlegt hätten, dann habe auch der Geheimdienst NSA seinen wichtigsten europäischen Stützpunkt hier in der Region, warnt Fraktionschef Willi van Ooyen. Ein Graus für den alten Friedensaktivisten und Ostermarschierer. Von Erbenheim zum Landtag am Wiesbadener Schlossplatz? Ein Klacks für die abhörwütigen US-Agenten!

Aus Sicherheitsgründen hat Bouffier daher am Sonntag wohl auch nicht mit seinem Handy ins ferne Indien telefoniert, sondern Sebastian Vettel „nur“ per Pressemitteilung zum Gewinn des vierten Weltmeistertitels gratuliert: Heppenheims berühmtester Sohn schreibe seine Erfolgsgeschichte fort! Und darüber hinaus freue sich Bouffier schon auf die neue WM, „bei der der amtierende Champion sicherlich wieder kräftig aufs Gaspedal drücken wird“.

Da sollte Champion Vettel aber lieber einen Bogen um den „4. Elektromobilitätskongress“ der Landesregierung am kommenden Donnerstag in Baunatal machen. Thema: „Das Elektroauto – heute und morgen.“ Uah, gähn, das klingt wohl eher nach lahm, leise, 100 Kilometer Reichweite – und so gar nicht nach „bester Fahrer der Welt mit dem schnellsten Auto“, wie Bouffier von Vollgas-Vettel schwärmte.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 30. Oktober 2013

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