Hurra, die Türken kommen!

Ein Flugzeug, hurra, ein Flugzeug! Ein freudiger Ausruf, der in Frankfurt in verlärmten Wohngebieten übel ankommen würde oder von vorneherein überflüssig wäre, weil dort knapp 700 Starts plus noch mal so viele Landungen am Tag vollzogen werden und eine solche Erscheinung am Himmel also je nach Sichtweise entweder nervig oder unspektakulär wäre. Aber in Kassel-Calden ist das natürlich was ganz anderes! Dort herrscht zumindest an der Ferien- und Linienmaschinen-Front aktuell absolute Ruhe am nordhessischen Himmel. Nur ein paar Geschäftsflieger gehen in die Luft – für die die alte Bahn in Calden ja eigentlich gelangt hätte. Jetzt ist aber für 270 Millionen Euro eine neue Piste gebaut worden, und nun weist der Winterflugplan exakt null planmäßige Flüge aus. Und vorher waren es auch nicht viel mehr. Aber jetzt kommt Hoffnung aus dem Morgenland.

Turkish Airlines will eine regelmäßige Verbindung von der Millionenmetropole Istanbul zum nordhessischen Provinzflughafen starten. „Ein bedeutender Schritt in der Entwicklung des Flughafens Kassel-Calden und eine große Chance für die gesamte Region Nordhessen“, freut sich Finanzminister Thomas Schäfer, der nicht nur in dieser Rolle die jährlichen Defizite in Calden ausgleichen muss, sondern dem Airport auch als Aufsichtsratsvorsitzender vorsteht. Und Passagiere hat Schäfer auch schon ausgemacht, wenngleich die Zielgruppenbezeichnung etwas merkwürdig klingt: Den „ethnischen Verkehr“, sprich „die türkischen und deutschen Bürgerinnen und Bürger mit türkischen Wurzeln, die in der Region Kassel stark vertreten sind“.

Na dann guten Flug, hoffentlich werde die ethnischen Verkehrsteilnehmer nicht wieder wegen zu schwach besetzter Maschinen per Taxi zum nahen Flugplatz Paderborn gekarrt. Sonst lästert sie wieder, die Linken-Abgeordnete Marjana Schott, über „die teuerste verkehrsberuhigte Zone Hessens“.

Die Verbindung an den Bosporus kann die starke hessisch-türkische Freundschaft natürlich nur beflügeln. Die Provinz Bursa ist ja Partnerregion von Hessen, hochrangige Vertreter und Delegationen pilgern beständig hin und her. Zu den kürzlich begangenen Feierlichkeiten zum 90. Jahrestag der Gründung der Republik Türkei musste unser Europaminister Jörg-Uwe Hahn allerdings nur nach Bad Soden reisen und nicht in die türkische Hauptstadt Ankara, wie man zunächst vermuten könnte. In die Kurstadt am Taunus hatte der türkische Generalkonsul geladen.

Dort begrüßte Hahn ausdrücklich den EU-Beschluss, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder aktiv aufzunehmen. Wenn er heute in die Partnerregion reise, „komme ich als Freund und fühle mich als solcher aufgenommen“. Das ist doch schön! Gerade als FDP-Politiker kann man zurzeit Freunde wirklich gebrauchen.

Hahns FDP-Ministerkollegen, die noch irgendwie ihre letzten Wochen als Ressortchefs herumbringen müssen, zieht es auch lieber ins Ausland, als in Wiesbaden andere um die Regierungsbeteiligung ringen zu sehen. So war Wirtschaftsminister Florian Rentsch vergangene Woche in China, wichtige Gespräche über die „Kooperation der Finanz- und Wirtschaftszentren Shanghai und Frankfurt“ standen an. Und er präsentierte im Reich der Mitte eine Internetseite, die auf Chinesisch Besucher nach Hessen locken soll.

Die könnten ja nach Calden fliegen, gibt nur leider keine Verbindung von China aus.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 20. November 2013

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