Wer hätte das gedacht? Trend-City in Hessen ist in diesen Tagen – nicht Frankfurt, nicht Wiesbaden, nicht Darmstadt, nicht Kassel… Nein, zweifelsohne ist das Heuchelheim. Heuchelheim? Sollten Sie das nicht wissen, gehören Sie offensichtlich nicht zu den 7,69 Millionen Menschen, die den Krawall-Tatort mit Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller am Sonntag gesehen haben. Die Tatort-Folge, die eher an Terminator, „Stirb Langsam“, Bond oder „Mission Impossible“ erinnerte, spielte zwar in Hamburg, aber dann sagte Darsteller Fahri Yardim in der Rolle des Yalcin Gümer über seinen Partner Schweiger/Tschiller dies: „Ich mein’, der Bursche kommt aus der hessischen Provinz. Aus Heuchelheim. Da kommen die ganz harten Macker her. Die pissen im harten Strahl.“
Kleiner Scherz des Drehbuchautors, der echte Til Schweiger ist tatsächlich in der 8000-Einwohner-Gemeinde im Kreis Gießen aufgewachsen, die direkt an die Stadt Gießen angrenzt.
Und plop, schon ist Heuchelheim im Kurznachrichtendienst Twitter der Renner. Ich zitiere jetzt nur mal die seriöse Zusammenfassung im Tweet der Kollegen vom Gießener Anzeiger: „Ordentliche Werbung im #Tatort für #Heuchelheim heute. Mr. Schweiger sei Dank. Der Hashtag #Heuchelheim boomt auf Twitter.“
Nun, vielleicht gönnen wir uns doch noch ein Zitat, Nutzerin Renée Marie schreibt: „#Tatort war zwar größtenteils grottig, aber dank Til Schweiger kam immerhin Heuchelheim mal ins Fernsehen.“
Immerhin mal im Fernsehen! Aber kommen sie denn da nun wirklich her, die harten Macker?
Ich bekenne, ich war noch nie in Heuchelheim, deshalb habe ich einfach mal ein paar Szenekenner aus dem Landtag befragt. Was meint beispielsweise Gerhard Merz dazu, direkt gewählter Abgeordneter für die SPD im Wahlkreis Gießen I, und daher mit den Härten des Wahlkampfes in Heuchelheim vermutlich bestens vertraut? „Naja, Heuchelheim ist nicht wirklich bekannt dafür, dass die Harten daher kommen“, berichtet der Sozialdemokrat. Die kämen doch eher aus dem Gießener Stadtteil Wieseck. Einen kleinen Spott auf Schweigers berüchtigt undeutliche Aussprache mag sich Merz nicht verkneifen: „Der Heuchelheimer als solcher nuschelt auch nicht so.“
Und Wolfgang Greilich, Vize-Präsident des Landtags und FDP-Kandidat im besagten Wahlkreis, meint, Heuchelheim sei eine wirklich liebenswerte Gemeinde, „sozusagen das Gegenteil von Schweigers Hamburg-Inszenierung: Heuchelheim ruht in sich“. Die Turbulenzen um Heuchelheims Sohn Schweiger sehe man sich deshalb lieber aus sicherer Entfernung an.
Und auch der in Gießen aufgewachsene SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel weiß über den Nachbarort eher Idyllisches als Hartes zu berichten: „Ruhiger, kleiner Ort mit zwei Ortsteilen, urige Kneipen, Zigarren von Rinn & Cloos, nicht unbekannt für revolutionäre Umtriebe, sehr starke SPD-Tradition.“
Aha, hart geht wohl anders. Da passt wohl eher Schweigers kleine Passage aus dem feinen Film „Männerherzen“ aus dem Jahr 2009, als er seine Filmfigur „Jerome“, der eigentlich Hans-Jürgen heißt, sagen lässt: „Ich komm’ aus Heuchelheim, das ist so ein kleines Kaff in Hessen bei Gießen . . . is’ voll schön da!“
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 6. Januar 2016