Das doppelte Fraktiönchen

Ich schwöre Ihnen, liebe Leser, ich bin nicht mehr betrunken von der Fassenacht, aber ich sehe die FDP-Landtagsfraktion doppelt! Doch, doch, und zwar im Internet. Zwei Auftritte der Liberalen im Netz  – aber die Mannschaftsstärke der Freien Demokraten in Wiesbaden ist in den beiden Auftritten gänzlich verschieden.

Wer die „falsche“ Adresse anklickt, hat nicht den Eindruck, dass sich da eine Fraktion präsentiert, die in der Wahlnacht im September 2013 bis in die Morgenstunden zittern musste, ob der Wiedereinzug in den Landtag überhaupt gelingt. Nein, unter fdpfraktion.hessen.liberale.de/Abgeordnete/850b290/index.html lächeln uns kraftvoll eine Frau und 18 Männer an. Bis heute. Zumindest bis gestern Abend. Sollte diese Seite im Laufe des heutigen Tages plötzlich verschwunden sein, sagen Sie Bescheid, liebe Leser: Ich habe natürlich eine Bildschirmkopie gemacht. Nicht, dass ich hier noch der Verbreitung von „Fake News“ bezichtigt werde!

Unter der Adresse fdp-fraktion-hessen.de/personen/abgeordnete hingegen ist die wahre FDP-Landtagsfraktion zu sehen: Sechs Abgeordnete – eine Frau und fünf Männer. (Die Frauenquote ist bei Hessens Liberalen seit langem ein schwieriges Thema…) Sprich, die Truppe, die es 2013 gerade so mit 5,0 Prozent in den Landtag geschafft hat.

Die erstgenannte Abordnung ist natürlich, Sie werden es längst ahnen, noch diejenige aus der vorherigen Legislaturperiode. Damals hatte die FDP bei der Landtagswahl im Januar 2009 sensationelle 16,2 Prozent geholt und war mit 20 Abgeordneten ins Parlament eingezogen.

20? Aber nur 19 auf der Abgeordnetenliste der Webseite? Ja, das stimmt schon, denn den Abgeordneten Jochen Paulus zog es im Mai 2013 von der FDP zur AfD. Hessens erster und bislang einziger AfD-Landtagsabgeordneter – auch eine Art von Berühmtheit. Danach war er raus aus dem Landtag.

Aber auch die anderen Köpfe lassen Erinnerungen wach werden. Jörg-Uwe Hahn firmiert da noch als stellvertretender Ministerpräsident und Superminister für Justiz, Integration und Europa, Florian Rentsch als Wirtschaftsminister. Wolfgang Greilich gab den Fraktionsvorsitzenden. Heute ist er Vize-Präsident des Landtags, Rentsch wieder Fraktionschef. Der Steueranwalt Leif Blum ist da noch zu sehen, nach einer Geldbuße wegen Steuerhinterziehung (ausgerechnet!) nicht wieder angetreten. Und Alexander Noll, den seine Fraktion – den drohenden Stimmverlust vor Augen – 2013 noch schnell zum Vize-Präsidenten des Landesrechnungshofs wegversorgen wollte. Vergeblich.

Noll kandidiert übrigens am kommenden Sonntag bei der Wahl zum Landrat im Main-Kinzig-Kreis. Und deshalb haben die Kollegen vom „Hanauer Anzeiger“ knallhart bei ihm nachgefragt: „Was gehört für Sie zu einem Frühstück dazu?“ Antwort Noll: „Kaffee. Wurst.“

Wurst! Gut, dass er nicht in Kassel kandidiert. Denn dort haben die Veranstalter eines Stadtteilfestes alle Würstchenverkäufer verbannt, weil es da ganz ökologisch und nachhaltig zugehen soll. Ausgerechnet in Nordhessen, wo die Leute mit der Ahle Worscht eine wahre Götterspeise kredenzen! Wie sagte Helmut von Zech, einst „verbraucherschutzpolitischer Sprecher“ der großen alten FDP-Fraktion: „Aufklärung heißt jedoch nicht Bevormundung.“ Stimmt!

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 1. März 2017

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