Zweierlei Mass

Er hat protestiert, der arme Botschafter, gegen einen, jetzt stellen Sie sich das doch bloß mal vor, gegen einen Spähangriff! Jaja, werden Sie sagen, mittlerweile schon abgestumpft von all dem ganzen NSA-Spektakel. Dass die Amis mit ihrem Geheimdienst irgendwelche diplomatischen Vertretungen abhören, ist doch nichts Neues, selbst die EU-Vertretung in den USA wurde verwanzt, weil man ja auf der Suche nach Terroristen war.

Doch Obacht, alles ist ganz anders.→ weiterlesen

Elefant müsste man sein

Für die Elefanten im Kronberger Opel-Zoo, da waren sich alle angereisten Honoratioren einig, war der vergangene Freitag ein schöner Tag. Der Grund: Die drei seit langem dort beheimateten Damen Zimba, Wankie und Aruba sowie der erst jüngst dazugestoßene Jungbulle Tamo haben eine schöne, neue, große Anlage bekommen. Und für den CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier war dies auch ein schöner Tag. Schönes Wetter, viele Besucher und Berichterstatter – kurzum, ein schöner Termin im Wahlkampf. Immerhin die Schirmherrschaft für das Projekt hatte der Landesvater übernommen, obwohl keinerlei Landesmittel für die elf Millionen teure Neugestaltung des Areals geflossen sind. „Für die drei Damen und den jungen Herrn“ sei hier eine gewiss artgerechte Heimat geschaffen worden, meinte Bouffier.→ weiterlesen

Es lebe Gross-Hessen!

War’s das jetzt etwa mit Hessen? Die Parteien überschlagen sich gerade mit Wahlwerbung, am 22. September werden die Menschen in Massen an die Wahlurnen stürmen und ihre Stimmzettel für einen neuen Landtag abgeben, selbiger muss sich im Januar konstituieren, einen neuen Ministerpräsidenten wählen, ein neues Kabinett muss gebildet werden – und dann, dann gibt es Hessen, für dessen Regierung der ganze Aufwand betrieben wird, bald darauf gar nicht mehr? Die ganzen Mühen umsonst?→ weiterlesen

Wer, wo, was, wohin?

 

 

Wer wohnt wo? Wer will was? Und wer ist wer? Fragen über Fragen, die jetzt im Wiesbadener Politbetrieb aufgetaucht sind. Ist ja auch wirklich schwer, nach sechs Wochen Sommerferien sich an so vieles erinnern zu müssen. Zum Beispiel das Passwort für den Computer – oder in welchem Wahlkreis Innenminister Boris Rhein eigentlich für seine CDU antritt.

Vergessen (oder gar nie gewusst?) haben dies die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Nancy Faeser und Heike Hofmann. Grundsätzlich sei es ja zu begrüßen, dass die schwarz-gelbe Landesregierung nach Wiesbaden und Frankfurt-Höchst ein drittes „Haus des Jugendrechts“ schaffen wolle – dies sei ja schließlich eine alte Forderung der Sozialdemokraten, sagen die beiden Damen. Dass diese Institution, die Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe unter einem Dach vereint, allerdings im Frankfurter Norden eröffnet werden soll, empört Faeser und Hoffmann. Diese von der Landesregierung vorgenommene Standortwahl „im Wahlkreis des Innenministers“ orientiere sich ja wohl nicht an den objektiven Bedürfnissen der Kriminalitätsbekämpfung.

Das könnte ja vielleicht noch stimmen. Nicht nur im Rhein-Main-Gebiet dürfte es kriminelle Jugendliche geben, sondern eventuell auch in, sagen wir mal in aller Neutralität, Kassel. Was aber nicht stimmt, darauf weist Innenminister Rhein empört hin, ist der angebliche Standort in seinem Wahlkreis. Geplant sei die Einrichtung nämlich im Mertonviertel und dies „liegt nicht in meinem Wahlkreis“. Eine Desinformation sei dies, schimpft Rhein, die SPD glänze mal wieder mit Unkenntnis.

Wer was werden will bei der SPD, ist eigentlich nach der quälend langen Vorstellung der „Mannschaft für den Wahlsieg“ klar, nur ist besagter Wahlsieg noch nicht eingefahren und damit manches Etikett zunächst ein reiner Etikettenschwindel. So hatte die SPD zu einer „A-Länder-Innenministerkonferenz“ nach Wiesbaden geladen. A-Länder sind im Polit-Jargon diejenigen Bundesländer mit einer SPD-Regierungsmehrheit, B-Länder entsprechend mit einer Unionsmehrheit. Aha, also dürfte ja demnach aus dem Schwarz-Gelb regierten Hessen gar niemand teilnehmen. Doch, die hiesige SPD schickt Nancy Faeser zu dem Treffen, denn die möchte Innenministerin in Hessen werden – sofern die Genossen die Wahl gewinnen. Dann wäre Hessen ja auch ein A-Land…

Einmal im Entsenderausch hat die Bundes-SPD auch gleich noch Thomas Oppermann von Berlin nach Wiesbaden geschickt. Der soll mal Bundesinnenminister werden – sofern Peer Steinbrück Bundeskanzler werden sollte. Hat also in einer „A-Länder-Innenministerkonferenz“ ebenso wie Faeser auch nichts zu suchen. Diese Tatsache verstecken die Sozis aber nur im Kleingedruckten.

„Ganz schön dreist“, so kommentiert Holger Bellino von der CDU, sich in diesem Kreise bereits als Innenministerin Hessens aufzuspielen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Greilich konstatiert pikiert, dass nicht etwa tatsächlich amtierende Innenminister der Sozialdemokraten, sondern „mit den Abgeordneten Faeser und Oppermann lediglich zwei fragwürdig agierende SPD-Oppositionspolitiker“ angekündigt werden.

Und dann brennt Greilich noch so eine Frage unter den Nägeln: „Was sind Sie nun, Gewerkschaftler oder Politiker der Linken, Herr Nagel?“, fragt er anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz des Mannes mit den Linken. Das weiß Jochen Nagel, Landes-Chef der Lehrergewerkschaft GEW, allerdings selbst noch nicht. Weil er von seiner geliebten Linkspartei nur für einen wenig aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl nominiert wurde, wartet er einfach mal ab, was passiert. Und je nach Wahlausgang geht er dann nach Berlin oder bleibt GEW-Vorsitzender in Hessen.

Sehr fragwürdig.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 21. August 2013

 

 

Ausländer zur Kasse, bitte!

AUSLÄNDER! Rums, da haben wir es wieder, das böse Wort zu Wahlkampfzeiten. Roland Koch hatte einst mit der Doppelpass- und später mit der Kriminelle-jugendliche-Ausländer-Kampagne zwei Wahlkämpfe bestritten. Einen mit Erfolg, einen ohne. Dieses Mal ertönt das Reizwort nicht aus Hessen, sondern aus dem Nachbarland Bayern, ausgerufen von Horst Seehofer. Der CSU-Ministerpräsident hätte ja sagen können, er wolle auf jeden Fall die Pkw-Maut durchsetzen. Nein, stattdessen wählt er lieber folgende Formulierung: „Ich unterschreibe als CSU-Vorsitzender nach der Bundestagswahl keinen Koalitionsvertrag, in dem die Einführung der Pkw-Maut für ausländische Autofahrer nicht drin steht.“→ weiterlesen

Radar-Rentsch

Freie Fahrt für freie Bürger – das ist so richtig eine Parole nach dem Geschmack des Freidemokraten Florian Rentsch. Da stören Radarfallen natürlich den freiheitlichen Druck aufs Gaspedal ganz empfindlich. Aber da der Mann zufällig Verkehrsminister in Hessen ist, hat er ja eine gewisse Macht, die freie Fahrt zu beschleunigen. Und das tut er auch.→ weiterlesen

Volker’s Aktiv Reise

Peter Beuth weiß, wie die Landtagswahl für seine CDU zu gewinnen ist: „Wir werden uns mit uns beschäftigten und nicht so sehr mit dem politischen Gegner“, erklärt der Generalsekretär der hessischen Union. Das ist ein löblicher Vorsatz, allein gesehen hat man davon noch nicht soviel. Es dominiert bislang ebenjene Beschäftigung mit dem politischen Gegner: Die Grünen werden mittels eines in Fleißarbeit erstellten Dossiers als Pädophile entlarvt, SPD-Chef Schäfer-Gümbel sei ohnehin Ypsilantis Marionette und mit einem „rot-rot-grünen Linksblock“ – den der hessische Obersozi im Gegensatz zu den Bundesgenossen Gabriel und Steinbrück ja nicht ausschließt – wäre es um Hessen sowieso komplett geschehen. Womit Beuth beim letzten Punkt tatsächlich recht behalten dürfte.→ weiterlesen

Der Spion, der Hessen liebte

 

Bei dieser E-Mail jüngst aus dem Umweltministerium an meine Adresse haben sicher bei den Geheimdiensten unserer befreundeten Nationen USA und Großbritannien sofort alle Alarmglocken geschrillt: Mit Bienen auf Sprengstoffsuche. Sprengstoff, klingelingeling, da sind sofort sämtliche Warnlämpchen und Stichwortüberwachungsmaschinen angesprungen, die NSA-Spitzel im fernen Fort Meade wurden ganz hektisch, erste Navy-Seals-Einheiten haben sich in Erbenheim einsatzbereit gemacht, um wahlweise im Wiesbadener Umweltministerium oder im Frankfurter Redaktionsgebäude zuzuschlagen, oder besser noch in beiden Terrorzellen gleichzeitig. Mit viel Glück hätten die wackeren US-Marines gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass die des Terrorismus eigentlich unverdächtige Umweltministerin Lucia Puttrich lediglich von einem Besuch an der Uni Gießen berichtete, wo feinfühlige Bienen sich für die Suche nach Drogen- und Sprengstoff (klingelingeling!) trainieren lassen.

Unsere Schnarchnasen in den Innenministerien in Land und Bund hätten auch von diesem Einsatz wie üblich gar nichts mitbekommen. Haben Sie jüngst unseren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich im Bundestag zur Datenschnüffelei gehört? Ja, er wisse halt auch nichts, stammelte der Mann, der es wissen sollte, am Rednerpult – und musste sich dafür viel Spott anhören.

Ausgerechnet diesem gut informierten Herrn Friedrich hat am Montag Hessens Innenminister Boris Rhein einen Brief geschrieben und um Informationen gebeten. Haha. Und überhaupt, sollten sich nachrichtendienstlich gesteuerte Lauschangriffe auch gegen Einrichtungen wie Internetknotenpunkte in Hessen richten, so muss dies sofort gestoppt werden, verlangte Rhein. Damit wäre der Innenministerkollege Friedrich dann aber endgültig überfordert.

Jetzt regen sich mit leichter Verspätung ja auch die hessischen Politiker über die Schnüffelei aus den USA und England auf. Die Grünen zum Beispiel verlangen vom hiesigen Innenminister Aufklärung (der ja aber erst nach Berlin schreiben muss), die FDP findet die immer neuen Erkenntnisse über das weitreichende Ausmaß der Abhörmaßnahmen erschütternd und bestürzend. Die Linke fordert, dieser Abhörskandal muss Konsequenzen haben, die Landesregierung solle gefälligst alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Hintergründe aufzuklären. Tut sie ja, Regierungsmitglied Rhein mit seinem Brief, na, Sie wissen schon…

Von der CDU befand Ministerpräsident Volker Bouffier höchstselbst, es ist auch klar: unter Freunden darf man nicht so miteinander umgehen.

Die SPD teilte vorsorglich mit, dass sie die in weiten Teilen der Bevölkerung entstandene Empörung darüber, dass die Bundesrepublik Deutschland offenbar als einziger europäischer Staat besonders intensiv von Abhörmaßnahmen betroffen sei, teile. Fehlt nur noch, dass Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel auf die Schnelle noch einen Spionageabwehr-Schattenminister aus dem Hut zaubert. Vielleicht mal jemanden aus Kroatien, die sind ja jetzt auch in der EU – eine Italienerin hat der Möchtegern-Ministerpräsident ja gerade für sein Team angeheuert.

Ein guter Tag für Europa, stellte Europaminister Jörg-Uwe Hahn übrigens am Montag anlässlich der Aufnahme des 28. EU-Mitglieds vom Balkan fest. Für Europa vielleicht, aber ganz sicher nicht für Meerholz!

Der Gelnhäuser Stadtteil war bis Sonntag noch der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union und damit richtig wichtig. Durch den Beitritt der Kroaten dürfte das Zentrum jetzt weiter nach Südosten abrutschen, vielleicht sogar ganz aus Deutschland herausfallen. Die Erdkundler rechnen noch.

Vielleicht sind dann aber wenigstens die US-Geheimdienste nicht mehr ganz so doll auf Deutschland fixiert, wenn der Nabel der EU-Welt plötzlich woanders liegt.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 3. Juli 2013

 

Energiesparer

 

Heiße Tipps (nicht nur) für kalte Winter, gab Umweltministerin Lucia Puttrich auf dem Hessentag zum Besten. Die sind ganz sicher nicht nur für kalte Winter nützlich, sondern auch für kalte Sommer. So wie momentan, 15 Grad waren es gestern Nachmittag in Wiesbaden, 16 Grad in Frankfurt. Juni?

Bei den aktuellen Temperaturen können wir ruhig schon jetzt Puttrichs Wintertipps zum Energiesparen beherzigen. Sind jetzt nicht neu, aber deswegen auch nicht schlecht: Heizkostenrechnung kontrollieren, höchstens 20 Grad in der Bude, programmierbare Thermostate, Nischen dämmen. Heizpumpen austauschen etc.

Puttrichs Chef, der Ministerpräsident Volker Bouffier, unterstützt seine Ministerin nach Kräften. Ebenfalls auf dem Hessentag lobte er das Handwerk in den höchsten Tönen, das Herz der hessischen Wirtschaft hört er gar in dieser Branche schlagen. Und wo kann der Handwerker am besten verdienen? Bei der auch von der Landesregierung nach Kräften unterstützten energetischen Gebäudesanierung.

Das sind zum Beispiel neue Fenster, deren Einbau auch Puttrich ausdrücklich in ihren heiß-kalten Tipps erwähnt. Gesagt, getan, Boris Rhein hat zwar seine Streberbrille inzwischen ausgemustert, ist aber trotzdem eilfertig dem Aufruf gefolgt und ließ die Handwerker sofort in seinem Innenministerium in der Wiesbadener Friedrich-Ebert-Allee antanzen.

Doch es kann der Frömmste nicht in Frieden Energie einsparen, wenn es dem bösen Frömmrich nicht gefällt. Besagter Jürgen Frömmrich, als innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion der natürliche Gegner des CDU-Innenministers Rhein, hieß noch nicht mal dessen Gebäudesanierung gut.

Denn der Austausch der Fenster im Ministerium (mit beträchtlichem Lärm verbundene Bauarbeiten, weiß Frömmrich – und ganz schön viele sind es außerdem) geschah mitten in der Nacht. Anwohner hätten sich über nächtliche Ruhestörung beschwert, berichtet der Grüne und argwöhnt, der Herr Minister habe sich durch den Baulärm am Tage wohl gestört gefühlt und daher die Nachtarbeit veranlasst. Und das sei doch wohl das Verhalten eines absolutistischen Sonnenkönigs.

Na, da hat der Herr Frömmrich wohl etwas zuviel Sonne abbekommen – als sie jüngst noch bei heißen 35 Grad geschienen hat. Denn wie Rheins Staatssekretär Werner Koch nicht ganz zu unrecht erwidert, sei dies Unsinn, weil jeder weiß, dass gerade der Minister aufgrund seiner zahlreichen terminlichen Verpflichtungen außerhalb des Ministeriums am wenigsten gestört worden wäre. Gut, ob das wirklich jeder weiß, sei mal dahingestellt – Frömmrich zumindest weiß es.

Um Geld geht es natürlich auch. 50000 Euro Mehrkosten seien durch die Nachtarbeit entstanden. Aus Fürsorge für die Mitarbeiter, erwidert Koch, wegen des Baulärms sei ein geordneter Dienstbetrieb nicht möglich gewesen, deshalb die Nachtschichten von 18 bis 6 Uhr.

Diese Schaffensperiode darf man dann wohl getrost als Dienst zu ungünstigen Zeiten ansehen. Exakt für diesen will die SPD die sogenannten Erschwerniszulagen anheben. Sprich, mehr Geld für Sonntags- und Nachtarbeit.

Gut, dieser Antrag der Genossen betrifft nicht die Handwerker, sondern Hessens Beamte. Aber mal ehrlich, in Wahlkampfzeiten wäre doch nicht einmal der Vorschlag, Handwerker zu verbeamten, absurd genug, als dass ihn nicht irgendein Hinterbänkler in der nahenden Sommerpause stellen könnte. Wo doch nach den Einlassungen Puttrichs und Bouffiers das Energiesparen schon beinahe eine hoheitliche Aufgabe ist.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 26. Juni 2013

 

Wunder, oh Wunder

Ja, da hat er sich gewundert, der Herr Staatssekretär: Mit Verwunderung also habe Regierungssprecher Michael Bußer auf die Kritik des Steuerzahlerbundes am Hessentag reagiert, meldet die Staatskanzlei. Das größte und traditionsreichste Landesfest in Deutschland leiste für die ausrichtenden Städte doch einen unschätzbaren Beitrag für das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Stadt.

Sehr wohl schätzbar, nein sogar exakt quantifizierbar, ist hingegen das jährliche Defizit in der Kasse der Ausrichterstädte. Die Kommunen erleben nämlich regelmäßig bei der Endabrechnung ihr blaues Wunder: 2012 zum Beispiel 4,8 Millionen Miese in Wetzlar, 2011 3,5 Millionen in Oberursel, 2010 5,9 Millionen in Stadtallendorf, 2009 3,6 Millionen in Langenselbold und so weiter und so fort.→ weiterlesen