Er kam als zotiger Jüngling und ging als nachdenklicher Mann. Wer denn, fragen Sie jetzt? Na, Florian Rentsch natürlich, der FDP-Fraktionschef im Landtag! Ein Sprücheklopfer, aber mit Substanz. Ein politisches Talent, aber möglicherweise in der falschen Partei. Nämlich in der FDP. Aus dem Bundestag rausgeflogen, in Hessen 2013 mit Ach und Krach erneut in den Landtag eingezogen – da konnte es mit der ganz großen Polit-Karriere einfach nichts werden. Dafür aber im hessischen Landtag!
Er suchte schon die Kameras und die Schlagzeilen bevor er überhaupt Abgeordneter wurde: Da war ihm kein Gag zu schlüpfrig: Mit der Porno-Darstellerin Dolly Buster marschierte er 2002 als damaliger Landesvorsitzender der Jungen Liberalen zu einer skurrilen Pressekonferenz in den Landtag und präsentierte die offenherzige Dame als „erfolgreiche mittelständische Unternehmerin“. Liberales Stammklientel also. Die Empörung war seinerzeit groß, auch in den eigenen Reihen – aber plötzlich war der Nachwuchspolitiker bekannt! Und zog 2003 in den Landtag ein.
Parlamentarischer Geschäftsführer, Fraktionsvorsitzender, Wirtschaftsminister und wieder Fraktionschef. Er machte Karriere. Viel mehr geht für einen FDP-Politiker in Hessen nicht. Er kann gut reden, aber auch arg reizen. Den politischen Gegner, bis aufs Blut. Besonders gerne und hart duellierte sich der Liberale naturgemäß mit den Grünen. Mit deren damaligem Fraktionschef Tarek Al-Wazir tauschte er regelmäßig Gehässigkeiten und Gemeinheiten aus. Der seinerzeitige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mathias Wagner, nannte Rentsch lange Zeit einen „Wahlkampfhallodri“.
Rentsch kann austeilen, und tut dies auch ordentlich. Ein kluger Kopf, der sich aber auch für die plumpe Spitze nicht zu schade ist. Kein Gag war ihm im Plenum zu schal, wenn er damit provozieren konnte. Hauptsache Aufmerksamkeit.
Die verschaffte er sich immer wieder, auch mit populistischen Maßnahmen. So nutzte er das Sommerloch 2013 – und die letzten Wochen bis zur Landtagswahl! – um als Verkehrsminister die Anordnung auszugeben, vor allen festinstallierten Blitzgeräten eine Warntafel mit dem Hinweis „Radarkontrolle“ anzubringen. Zustimmung, Ablehnung, Hohn und Spott: Er erntete die gesamte Bandbreite an Reaktionen – und war’s zufrieden.
Die Erhöhung der GEMA-Gebühren nutzte er 2012 ebenfalls in seiner Ministerrolle um in einer Wiesbadener Disco um symbolträchtige „Fünf vor Zwölf“ die Musik abstellen zu lassen und vor einem möglichen Club- und Kneipensterben zu warnen. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit ließ er noch schnell flächendeckend Tempolimits aufheben, woraufhin ihn die Linken als „Schutzpatron der Raser“ geißelten.
Ein dankbarer Darsteller auch in dieser Kolumne. In der Tat, in mehr als 200 bisher erschienen Werken schaffte er es, knapp 40 mal mitzuspielen. „Wie würden Sie eigentlich Ihre Kolumne ohne mich füllen?“, fragte er mich einmal. Das ist die sympathische Seite des rhetorischen Rabauken: Er hatte umgekehrt auch kein Problem damit, auf die Schippe genommen zu werden – oder dies gleich selbst zu erledigen.
Jetzt hat er vom Politbetrieb die Schnauze voll und wechselt zu einem Bankenverband. Mensch, Rentsch! Sie werden mir fehlen!
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 26. April 2017