Am Ende des Korridors

Die „Ausschließeritis“ ist tot, es leben die „Korridore“ die hessische Landespolitik hat ein neues Lieblingswort. Laut Duden „Korridor, der“, Wortart Substantiv, maskulin, Bedeutung: 1. Flur, 2. (in der Politik) schmaler Streifen Land, der durch das Hoheitsgebiet eines fremden Staates führt und die Verbindung zu einer Exklave oder zum Meer herstellt. So, das ist erst einmal geklärt.

Gilt der Grünen-Chef Tarek Al-Wazir als Wortschöpfer des eingangs genannten Krankheitsbildes, so darf wohl nach chronologischer Durchsicht aller Protokolle Ministerpräsident Volker Bouffier als Erfinder der hessischen Korridore gelten. Aber wieder war der Obergrüne in diesem historischen Moment dabei. Er stand neben Bouffier, als der CDU-Landesvorsitzende den Satz sprach: „Wir haben Korridore definiert, in denen es Lösungen geben könnte.“

Wobei es Al-Wazir mit dem Historischen ja nicht so hat, und das, obwohl sich erstmals in einem Flächenland eine schwarz-grüne Koalition anschickt, sozusagen aus dem Geburtskorridor hinauszutreten und das Licht der bunten neuen Hessen-Welt zu erblicken.

Man könne ja auch historisch scheitern, warnte Al-Wazir am Montag. Das hieße dann wohl, dass alle Türen entlang des gefundenen Korridors zugeschlagen würden: Von der grünen Basis beispielsweise wegen des zweifelhaften Flughafen-Kompromisses, vom CDU-Rechtsaußen Hans-Jürgen Irmer wegen der von den Grünen gewünschten Homo-Ehe und dem Zuzug aller Flüchtlinge aus allen Ländern, von Grünen, denen die CDU bei der Energiewende zu sehr auf der Bremse steht, von wirtschaftsorientierten Christdemokraten, die einen grünen Wirtschaftsminister Al-Wazir für ein Ende allen ökonomischen Erfolgs in Hessen halten.

Aber so düster wollen wir den Weg für die Verhandler im „Lösungskorridor“ doch gar nicht sehen. Erst mal sollen Bouffier und Al-Wazir die neuen Flure durchschreiten, die sich in den kommenden drei Wochen hoffentlich nicht als Labyrinthe erweisen.

Ein Korridor ist dabei ganz besonders schmal, „so schmal wie die Einflugschneise des Frankfurter Flughafens“, wie die „taz“ dichtete. Da geht es nämlich, um jetzt Bedeutung Nummer 2 des Dudens zu nutzen, in das Hoheitsgebiet einer fremden Macht: in das der Fraport AG (ganz nebenbei, auch die Flugsicherung und die Airlines müssen in diesen Korridor folgen). Flughafenbetreiber Fraport muss nämlich bei all den schönen Plänen der Koalitionäre in spe mitziehen. Und das nicht nur mal eben so, weil die Mehrheit an der Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand liegt, denn trotzdem muss das Unternehmen zuallererst gemäß Aktienrecht handeln und nicht nach dem Wunschdenken schwarz-grüner Politik.

Es wollte übrigens noch einer mitspielen, mit den anderen im hessischen Korridor: SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Nachdem Bouffier und Al-Wazir sich gegenseitig des gemeinsamen Auslotens besagter Gänge versichert hatten, versuchte Schäfer-Gümbel einige Tage später auch diese neue Schneise im Polit-Dickicht zu nutzen. Er wolle ausdrücklich die Einschätzung von Herrn Bouffier teilen, „dass wir Korridore gesehen haben, in denen Verständigungen möglich sind“, so Schäfer-Gümbel nach dem vierten Sondierungsgespräch zwischen CDU und SPD. Eine neue Tür in einen schwarz-rot gestrichenen Flur, durch die Bouffier aber bekanntlich nicht gehen wollte.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zum Mann für die historischen Momente. Klappt alles wie geplant, wäre Tarek Al-Wazir, dessen Nachname auf Arabisch „der Minister“ bedeutet, nach 15 Jahren auf der Oppositionsbank endlich da angelangt, wo die englischsprachige Welt von den „corridors of power“ spricht: an den Schalthebeln der Macht.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 27. November 2013

 

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