Duell, Dreikampf, Elefantenrunde – gewaltige Sprachbilder türmen die Veranstalter derzeit überall für die moderierten Kaffeekränzchen unserer Spitzenpolitiker auf. Merkel versus Steinbrück war kürzlich gleich fünf Sendern eine TV-Übertragung wert, der hessische Zweikampf Bouffier gegen Schäfer-Gümbel nur dem Hessischen Rundfunk. Hat auch gereicht.
Und – sofern Sie, liebe Leser, die Diskussion der beiden Spitzenkandidaten von CDU und SPD vorm Fernseher verfolgt haben -, wen fanden Sie denn besser? Ich versuche Ihnen mal eine Hilfestellung zu geben:
„Mit Sachverstand, Überzeugungskraft und den deutlich besseren Argumenten hat Volker Bouffier das TV-Duell klar für sich entschieden“, verkündete im Anschluss der Generalsekretär der CDU Deutschlands, Hermann Gröhe. Nach unbestätigten empirischen Erhebungen der einzige Zuschauer außerhalb Hessens.
Der Generalsekretär der Hessen-SPD, Michael Roth, hingegen sieht seinen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel „als klaren Sieger im TV-Duell“.
Lauter klare Sieger, also alles klar, oder etwa nicht? So klar wie manch seltsame Ergebnisse der vielen Wahlumfragen, die uns fast täglich erreichen. Zum Beispiel lagen in jüngsten Umfragen unserer Zeitung und auch des Hessischen Rundfunks CDU/FDP knapp vor einem Bündnis aus SPD und Grünen. In beiden Erhebungen sprach sich anderseits jeweils eine Mehrheit für Rot-Grün als Wunschkoalition aus. Soso, irgendwie scheint es da ja noch Verständnisprobleme zu geben …
Ist aber auch egal, Hauptsache, Sie gehen überhaupt wählen am kommenden Sonntag. An Wahlaufrufen mangelt es ja zumindest nicht.
Sogar die Jugendabteilungen der Parteienhaben sich zusammengerauft und ein gemeinsames Papier verfasst. Der Gang zur Urne sei ein Privileg und sollte selbstverständlich sein, mahnen Junge Union, Jungsozialisten, Jungliberale und Grüne Jugend. Den Gang zur Wahlurne meinen sie vermutlich, der Gang zur anderen Urne ist zwangsläufig auch selbstverständlich, wird aber nicht unbedingt immer als Privileg empfunden.
So geht es munter weiter. Der Landesausländerbeirat ruft speziell „Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund“ zur Stimmabgabe auf: „Jede Stimme zählt!“ Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen meldet sich: „Wählen gehen: Politikwechsel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Die Kollegen von Ver.di senden nahezu täglich einen Wahlaufruf, aufgehängt an einem Thema, das den Gewerkschaftern unter den Nägeln brennt. Gestern kam schon Teil 15!
Damit sollte wohl jetzt jeder aufgerufen sein. Wie, Sie noch nicht? Dann rufe ich Sie hiermit ganz persönlich auf: Gehen Sie wählen, egal wen, aber gehen Sie wählen! Auf dem Weg zu Kirche, Stammtisch, Fußballplatz, verkaufsoffenem Sonntag oder IAA lässt sich doch nun wirklich ein Kurzbesuch im Wahllokal einrichten.
Sie wissen nicht, wen Sie wählen sollen? 18 Wahlvorschläge stehen auf dem Stimmzettel zur Landtagswahl, da werden Sie doch wohl irgendwo ein Kreuzchen machen können! Notfalls bei einer skurrilen Splitterpartei. Warum denn nicht? Die sind offiziell zugelassen.
Wahlbenachrichtigung verschlampt? Macht nichts, Hauptsache, man steht im Wählerverzeichnis, beruhigt der Landeswahlleiter – der im Übrigen natürlich auch zur Wahl aufruft.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 18. September 2013