War’s das jetzt etwa mit Hessen? Die Parteien überschlagen sich gerade mit Wahlwerbung, am 22. September werden die Menschen in Massen an die Wahlurnen stürmen und ihre Stimmzettel für einen neuen Landtag abgeben, selbiger muss sich im Januar konstituieren, einen neuen Ministerpräsidenten wählen, ein neues Kabinett muss gebildet werden – und dann, dann gibt es Hessen, für dessen Regierung der ganze Aufwand betrieben wird, bald darauf gar nicht mehr? Die ganzen Mühen umsonst?
Also, liebe Leser, ich rede jetzt nicht von der finalen Auslöschung des schönen Hessenlandes durch ein Erdbeben, einen Meteoriteneinschlag oder so, nein, noch schlimmer, die FDP will Hessen wegfusionieren.
Das wollen die Liberalen eigentlich schon lange, bereits 2006 träumte FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn von „einem starken Bundesland in der Mitte Deutschlands“ und meinte einen Zusammenschluss von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland – zuvor bereits andernorts mit dem Wortungetüm „Mittelwestdeutschland“ bedacht.
Länger nichts mehr davon gehört, aber jetzt hat Hahn die Idee ausgerechnet mitten im hessischen Landtagwahlkampf wieder ausgepackt. Beim Besuch eines gemeinsam von einem hessischen und einem rheinland-pfälzischen Verlag betriebenen Druckzentrums in Rüsselsheim räsonierte der FDP-Landeschef jüngst, was auf Firmenebene machbar sei, müsse auch zwischen Ländern möglich sein. Als Fusionspartner für Hessen sehe er Rheinland-Pfalz und das Saarland. Anlass für die Überlegungen ist mal wieder der ungeliebte Länderfinanzausgleich, der stets zuungunsten Hessens ausfällt. Die Ungerechtigkeit beim Fluss der Finanzströme zwischen Bund und Ländern müsse auf den Tisch, so Hahn, und in diesem Zusammenhang werde sich zeigen, dass die Zusammenlegung von Bundesländern unumgänglich sei, zitiert ihn das „Darmstädter Echo“.
Oh, oh, da gab es aber Gegenwind. Ausgerechnet von den Grünen, denen man so einen Patriotismus gar nicht zugetraut hätte. „Da redet ja nicht irgendwer vor sich hin, sondern der stellvertretende Ministerpräsident stellt die eigenständige Existenz unseres Bundeslands in Frage“, empörte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mathias Wagner. Ob das jetzt Hahns Position sei? Oder ob er für die Regierung spreche? Oder sei das nur „das neuste wirre Stück im verzweifelten Überlebenskampf der FDP“?
Da sprang deren Fraktionschef Wolfgang Greilich seinem Parteivorsitzenden zur Seite. Ein „Weiter so“ könne es in den Finanzbeziehungen der Länder ja wohl nicht geben, deshalb sei eine mögliche Alternative die Neuordnung der Länder. Franken und Bayern könnten doch auch im gemeinsamen Freistaat leben, Schwaben und Badener in Baden-Württemberg, da werde doch Hessen, Rheinland-Pfälzern oder Saarländern in einem gemeinsamen Bundesland ihre Identität nicht genommen. Ob die drei Bevölkerungsgruppen das auch so sehen? Wo es für einen Rheinhessen schon eine Beleidigung darstellt, als Pfälzer bezeichnet zu werden? Da käme viel Integrationsarbeit auf den Integrationsminister Hahn zu! Ob er das bedacht hat?
Ja, und dann kommt tatsächlich kurz darauf Schützenhilfe vom ehemaligen Mainzer Ministerpräsidenten Kurt Beck! Er glaube, dass man drüber reden könne, sagte der SPD-Politiker im „Deutschlandradio“ zum Thema Länderneuordnung. Das glaubt er aber auch erst, seit er Polit-Rentner ist, als aktiver Regierungschef hätte der Pfälzer sein Bundesland mit Zähnen und Klauen verteidigt!
So wie der amtierende rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz von der SPD. Der hatte den Hessen Greilich im Februar
als „völlig durchgeknallt“ bezeichnet, nachdem der Liberale damals die Dreierfusion vorgeschlagen hatte.
„Völlig durchgeknallt“ – das hat ihm Greilich nicht verziehen und pocht (bis heute vergeblich) auf eine Entschuldigung des künftigen Landsmannes.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 28. August 2013