Der Geselle wird Meister

Der Geselle hat in Kassel sein Meisterstück gemacht. Also der SPD-Kandidat Christian Geselle – der wurde nämlich am Sonntag zum neuen Oberbürgermeister der 200.000-Einwohner-Stadt im Norden des Landes gewählt. Der bisherige Kämmerer hat ein fulminantes Ergebnis hingelegt: 56,6 Prozent, gleich im ersten Wahlgang fünf Mitbewerber ausgestochen! Das war aber nicht der einzige Grund zum Jubeln für Hessens Sozis am Sonntag:

Im Main-Kinzig-Kreis das gleiche Bild: Neuer Landrat dort wird der SPD-Mann Thorsten Stolz: 57,9 Prozent, ebenfalls im ersten Wahlgang, ebenfalls gegen fünf Konkurrenten. Da kann er wohl zu Recht stolz sein, der Stolz!

Tja, Menschenskinder, die SPD, was? Ist das etwa dieser Martin-Schulz-Hype? Nun, dieses Phänomen darf wohl zur Erklärung für die bundesweiten Umfragen dienen, in denen die SPD steil geht, für die Wahlen in Kassel und im Main-Kinzig-Kreis aber doch eher weniger. Beide Kommunen haben eine lange sozialdemokratische Prägung, in beiden leisteten die SPD-Amtsinhaber – OB Bertram Hilgen und Landrat Erich Pipa – ordentliche Arbeit und beide SPD-Kandidaten waren dort gut bekannt: Geselle als Kämmerer, Stolz als Gelnhäuser Bürgermeister.

Aber Herrschaften, die Wahlbeteiligung! Für Demokraten schlicht unwürdig! 33,9 Prozent im Main-Kinzig-Kreis und auch nur 36,7 Prozent in Kassel. Gerade dort eigentlich gänzlich unverständlich, denn in Hessens drittgrößter Stadt ging es doch buchstäblich um die Wurst.
So, jetzt habe also auch ich diese abgedroschene Redewendung übernommen, die so ziemlich jedes Medium in den vergangenen Tagen in dieser Angelegenheit verwurstet hat. Tut mir leid, passt aber auch einfach zu gut…

Denn tatsächlich hat es ein „Wurst-Verbot“ geschafft, ein wenig Würze in den sonst recht faden Wahlkampf in Kassel zu bringen. Vorige Woche habe ich an dieser Stelle schon erwähnt, dass die Veranstalter alle Wurstbuden von einem Stadtteilfest am 23. April verbannt haben, weil es beim „Tag der Erde“ ganz ökologisch und nachhaltig zugehen soll.

Aufregung! Empörung! Schlagzeilen! Sogar die britische BBC berichtete: „A German city council is kicking up a fuss over a vegetarian street festival because it won’t be serving local meaty delicacies.“ Ja, tatsächlich genau das war passiert: Die verbotene Wurst schaffte es auf Antrag der CDU-Fraktion ins Stadtparlament. Die Stadtverordneten stimmten dann zwar mehrheitlich für Würstchen auf dem Fest, allein der Veranstalter bleibt stur!

„Das Thema bewegt die Menschen, deshalb können wir es nicht ausblenden, wenn wir Kommunalpolitik machen“, begründete CDU-Kandidat Dominique Kalb den Vorstoß der örtlichen Union: „Die Wurscht gehört bei Volksfesten in Kassel dazu!“ Genützt hat es Kalb nichts: Er landete am Sonntag bei peinlichen 18,3 Prozent.

Denn SPD-Kandidat Christian Geselle ließ sich bei dem brisanten Thema natürlich auch nicht die Butter vom Brot nehmen: Er posierte werbewirksam mit einer Bratwurst in der Hand und dem Spruch „Zum besten zu Hause gehört auch ne gute Bratwurst“.

Der erste Sieger im „Kasseler Wurstkrieg“ steht mit Geselle jetzt also fest. Die Festbesucher hingegen müssen noch weiter um ihr Würstchen kämpfen!

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 8. März 2017

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