Bundesmist

Schon irgendwie Mist, so ohne eine richtige Regierung im Bund, oder? Wieso, werden Sie jetzt fragen, wir werden doch weiterhin regiert – und zwar von einer geschäftsführenden Regierung, angeführt von Kanzlerin Angela Merkel?
Ja, stimmt schon, aber wie gut das funktioniert, sehen Sie ja an diesem durchgeknallten Agrarminister Christian Schmidt von der CSU, der einfach mal so „für sich“ entschieden hat, in Brüssel einer weiteren fünfjährigen Zulassung des mutmaßlich krebserregenden Unkrautgifts Glyphosat seine alles entscheidende Stimme zu geben. Obwohl die SPD-Minister im Kabinett dagegen sind und die Geschäftsordnung der geschäftsführenden Bundesregierung für solche Fälle eine Enthaltung bei der Abstimmung in EU-Gremien vorsieht. Vermittelt eher den Eindruck von Auflösungserscheinungen: Jeder macht noch schnell was „für sich“ – oder für den ihm nahe stehenden Lobbyverband.

„Ob krebserregend oder nicht – Glyphosat hat in Muttermilch, Nahrungsmitteln, Trinkwasser oder im Boden nichts verloren“, schimpft Marjana Schott von der Links-Fraktion im Landtag. Und außerdem habe der Einsatz von Glyphosat einen großen Anteil an der ökologischen Katastrophe des Insektensterbens, sagt die umweltpolitische Sprecherin. Ja, da war doch was: Haben wir nicht jüngst beklagt, dass die Zahl der Insekten in Deutschland um 75 Prozent gesunken ist? „Mit jeder Pflanzenart, die auf dem Acker verschwindet, entziehen wir zehn Insektenarten die Nahrungsgrundlage“, mahnt Schott.

„Fatal“ sei Schmidts Ja zum Glyphosat, glauben auch die Grünen. Aber deren landwirtschaftspolitische Sprecherin Martina Feldmayer macht uns Mut. Denn „die Grünen sind froh“, dass deren Parteifreundin, die Umweltministerin Priska Hinz, hierzulande per Erlass mit einer strikten Einschränkung zur Anwendung von Glyphosat im öffentlichen Raum ja schon reagiert habe. Da bin ich auch froh!

Viel Frohsinn – zugegebenermaßen ganz anderer Art – herrschte beim Parteitag der Hessen-SPD. Thorsten Schäfer-Gümbel will jetzt wirklich endlich mal Ministerpräsident in Hessen werden – und darf es auch wieder versuchen. Zum dritten Mal! Mit knapp 95 Prozent wurde er zum Spitzenkandidaten gewählt und fordert damit erneut Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU bei der Landtagswahl im nächsten Jahr heraus.

„Volker Bouffier oder Thorsten Schäfer-Gümbel – gestern oder morgen“, so stellt der wackere Sozialdemokrat die Alternativen heraus. Mal ganz, ganz kurz zusammengefasst: Was eint die zwei? Sie treten beide im Wahlkreis Gießen II an. Was trennt die beiden? Schäfer-Gümbel twittert in einer Tour, Bouffier hält Twitter – vor allem nach dem Dauergezwitscher der Jamaika-Sondierer von Berlin – für „eine Seuche“.

Jamaika, beziehungsweise Nicht-Jamaika, bringt nun auch Schäfer-Gümbel in die Bredouille. Schwarz-Gelb-Grün im Bund wäre für seine SPD im Land eine tolle Ausgangslage für die Wahl gewesen. Jetzt müssen die Sozis aber wohl doch irgendwie mit ran im Bund – was sich für die Regierungsparteien bei den folgenden Landtagswahlen häufig ungünstig im Wahlergebnis bemerkbar macht.
Aber Schäfer-Gümbel ist in dieser Hinsicht ja wenigstens Kummer gewohnt: „Immer, wenn für uns etwas Entscheidendes ansteht, kommt irgendein Bundesmist und verhagelt es.“

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 29. November 2017

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