Bedürfnis 2. Klasse

Künftig keine Kneipe ohne Klo, und das ist auch gut so! „Wer Bier oder andere alkoholische Getränke ausschenkt, der muss seinen Gästen auch ermöglichen, es wieder loszuwerden“, stellt Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir klar und will die Bauordnung dahingehend ändern. Er reagiere damit auf Hinweise von Gästen, die die Notdurft dränge, aber auch von Anwohnern, die vor ihrer Haustür regelmäßig Besuch von „Wildpinklern“ hätten. So weit, so gut, aber warum gilt das nur dort, wo Alkohol ausgeschenkt wird? Wenn ich drei Bier trinke, muss ich pinkeln, trinke ich drei Kaffee, ebenso. Das ist dann wohl ein Bedürfnis 2. Klasse.

Während es an dieser Stelle künftig also (meistens) nicht mehr pressiert, scheint die Hessen auch sonst nirgends der Schuh zu drücken. Glaubt zumindest die Staatskanzlei. Die hat mit dem „Zukunftsmonitor 2016“ eine repräsentative Umfrage vorgelegt, laut der sich sagenhafte 95 Prozent der Bürger in Hessen wohlfühlen. Die restlichen fünf Prozent waren wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Befragung gerade andernorts in Urlaub oder auf Dienstreise und hätten sicher sonst auch verkündet, wie wohl sie sich doch im heimischen Hessenland fühlen.

Was spricht Volkesmund sonst so in der Umfrage? Zum Beispiel, dass 89 Prozent eine positive Zukunftsperspektive für sich und ihre Familien sehen und sich 75 Prozent auf öffentlichen Straßen und Plätzen sicher fühlen.

„Kurzum, die Menschen leben gerne hier und sehen positiv in die Zukunft“, frohlocken Ministerpräsident Volker Bouffier und sein grüner Stellvertreter Al-Wazir. Dann kann die Opposition doch eigentlich einpacken, wenn alles so prima ist, zumal der Ausbau der regenerativen Energien mit 79 Prozent ebenfalls hohe Zustimmungswerte aufweist. Da kann die FDP mit ihrem Dauergenöle an der Windkraft auch nichts gewinnen. Die auf 100 Prozent fehlenden 21 Punkte würde die FDP bei der Landtagswahl ja im Umkehrschluss ohnehin nicht bekommen. Bei der letzten Sonntagsfrage kam die Partei bekanntlich nur auf vier Prozent und wäre somit raus aus dem Landtag. Aber diese Umfrage war ja von der Hessen-CDU bestellt, und zudem wird erst 2018 gewählt.

Dass die Hessen alle auf Wolke 7 schweben, liegt aber definitiv nicht am Drogenkonsum. Denn da bleibt alles wie es ist, nämlich verboten, selbst beim Cannabis, das manche gerne freigeben würden. Eine Initiative zur Neuausrichtung im Umgang damit war vergangene Woche an der schwarz-grünen Mehrheit gescheitert.

„Grüne verbiegen sich im Rechtsausschuss“, flucht Marjana Schott, die sogenannte drogenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Landtag. Nun rühren diese Verbiegungen nicht etwa aus tänzelnden Bewegungen zu Rasta-Rhythmen nach einer Runde Ganja im Grünen-Fraktionssitzungssaal, sondern weil „das schwarzgrün regierte Hessen weiterhin an einer absurden Drogenpolitik festhält“, klagt Schott. Und damit auf einer Kriminalisierung von Cannabis beharrt, was zwar CDU-, aber eigentlich gar nicht Grünen-Linie ist. „Ein absolut peinlicher Vorgang insbesondere für die Grünen, die sich damit der CDU zuliebe vollständig von ihrem Parteiprogramm verabschieden“, konstatiert FDP-Fraktionsvize Jürgen Lenders.

Was auch immer die Grünen da reitet, einen Vorteil haben Cannabis-Produkte unbestritten: Man muss davon nicht so oft aufs Klo!

 

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 7. September 2016

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