Das muss einer auch erst einmal aushalten, so ein Leben zwischen Glamour und Garage. Als Ministerpräsident ist Volker Bouffier der Big Boss in Hessen – und daheim? Nur ein Pantoffelheld? Na, so schlimm ist es nicht, aber „ich bekomme zu Hause nicht den roten Teppich ausgelegt“, sagte der Landesvater dem Radiosender FFH. Am Freitag lief es für den Ministerpräsidenten noch eher in diese Richtung.
Der Landessportbund ehrte ihn bei seiner 70-Jahr-Feier mit der „Heinz-Lindner-Plakette“ für herausragenden Verdienste um den hessischen Sport. Dies sei die höchste Auszeichnung, die der Verband zu vergeben habe, pries dessen Präsident Rolf Müller, Parteifreund des CDU-Mannes Bouffier und langjähriger Landtagsabgeordneter, die Plakette. Bouffier sei stets ein „wirklicher Freund und guter Partner“ des Sports gewesen, als Innenminister genauso wie als Ministerpräsident.
Medaille, Empfang, Sektchen, Ehrengäste, was ein Ambiente! Und was erwartet den so Gepriesenen zu Hause? Wenn er von einem langen Arbeitstag nach Hause komme, müsse er sich den Sprudel immer noch selbst aus der Garage holen, bekannte Bouffier in dem Radio-Interview. Den Sprudel selbst aus der Garage holen … von wegen Sekt statt Selters.
Gattin Ursula, ebenfalls zu Gast beim Sender, ist da offenbar sehr resolut: „Pass mal auf, du bist hier nicht im Ministerium, und außerdem tut’s dir auch gut, wenn du dich mal bewegst“, lässt sie den Gemahl wissen, der hinter der Haustürschwelle offensichtlich zum Ministerpräsident a. D. wird. Ursula Bouffiers Rechtfertigung für das forsche Auftreten: „Ich bin das Volk“ – und damit ist sie in der Tat der Souverän, Verzeihung, die Souveränin über den von eben jenem Volk gewählten Politiker Volker Bouffier.
Wechseln wir mal die Lebensmittel. Vom Sprudel zur Schwarzwälder Kirschtorte. Zwei dieser Köstlichkeiten beschäftigen jetzt tatsächlich den Landtag. Aha, wird jetzt manch aufmerksamer Politik-Beobachter nach den Torten-Attacken auf die AfD-Vizechefin Beatrix von Storch und die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht raunen, hat es in Hessen auch jemanden erwischt?
Nein. Und damit dies auch erst gar nicht geschieht, hat die Polizei laut den beiden SPD-Landtagsabgeordneten Lisa Gnadl und Heinz Lotz jene zwei Schwarzwälder Kirschtorten in Büdingen konfisziert, als dort AfD-Oberhaupt Frauke Petry im dortigen „Haus Sonnenberg“ ihre Weltsicht zum Besten gab. „Vor ausgesuchtem Publikum“, wie Gnadl und Lotz berichten. Sprich, nicht vor den Mitgliedern des Bündnisses „Büdingen weltoffen“, deren Mitglieder nebenan eine Mahnwache hielten. Mit dem Ziel „bei Kaffee und Kuchen ein friedliches Zeichen für eine tolerante und offene Zivilgesellschaft“ zu setzen.
Der Polizei war das offenbar nicht geheuer, die Torten seien ein Sicherheitsrisiko, meinten die Beamten und beschlagnahmten die Sahnestücke. Also fragen nun die beiden Genossen ganz offiziell die Landesregierung, ob sie Schwarzwälder Kirschtorten auch für ein Sicherheitsrisiko halte und – ganz wichtig –, was denn mit den beiden Kuchen passiert ist. Ob sie dem eigentlichen Zweck des Verzehrs zugeführt worden seien?
Nun, Bouffier zumindest wird sie nicht gegessen haben. Und wenn doch, hat er sie sich wohl selbst aus der Garage holen müssen.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 16. Juli 2016