Wenn der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer nicht gerade in seinem berühmt-berüchtigten „Wetzlar-Kurier“ über Muslime, Ausländer und Homosexuelle herzieht, spaziert er gerne durch den Hessischen Landtag. Und wie er da jüngst so lustwandelte durch das ehemalige Wiesbadener Stadtschloss, da fielen dem Philanthropen aus Wetzlar ganz und gar erschütternde Missstände auf, die es ihn umgehend zu beheben drängte.
„Wenn ich während der Plenarsitzungen von meinem Abgeordentenzimmer Richtung Plenarsaal gehe“, schrieb er sogleich an die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag, „komme ich an dem ca. 8 bis 10 Quadratmeter großen Zimmer vorbei, in dem sich während der Plenarsitzungen die Mitarbeiter der M-Büros der jeweiligen Ministerien aufhalten.“
Das ist ja eigentlich sehr schön, vermutlich ein wahrer Quell der Unterhaltung, des Nachrichtenaustauschs, ja wohl auch gelegentlich schlicht des Klatsches. Noch ein Wort zu den „M-Büros“, für diejenigen, die sich fragen, was das nun wieder ist: Da arbeitet eine Handvoll – meist junger – Menschen unermüdlich für ihren Minister, den „M“.
„M“, das klingt ominös, so wie bei James Bond, dessen Chef (später Chefin) ja auch diesen kryptischen Titel trägt. Während Bond die Lizenz zum Töten hat, haben die M-Büro-Mitarbeiter eher so die Lizenz zum Koffertragen für den Minister. Natürlich tun sie noch viel mehr, deren Wirken soll jetzt nicht nur eines Scherzes wegen kleingeredet werden. Es können sogar Karrieren daraus werden: Thomas Schäfer zum Beispiel, unser Finanzminister, war früher Büroleiter des ehemaligen Justizministers Christean Wagner und auch des ebenfalls ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch.
Und da kommen wir zurück zu unserem Spaziergänger Irmer. Derlei „höchst qualifizierte Mitarbeiter“ entdeckte Irmer zu Hauf zusammengepfercht in diesem einen besagten Zehn-Quadratmeter-Stübchen, während sie an den Plenartagen auf ihre „Ms“ warten, die wiederum auf der Ministerbank im Plenarsaal sitzen. „Menschenunwürdig, unzumutbar und völlig inakzeptabel“, schrieb Hobbyautor Irmer daraufhin an die sehr geehrten Fraktionsvorsitzenden – verbunden mit der Bitte, sich „mit Nachdruck“ der Problematik anzunehmen.
Und weil eine Dringlichkeit mit einem Beispiel noch viel klarer wird, zitierte Irmer die „Belegungsrichtwerte“ für die Ausstattung einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Demnach sollen pro Person neben den gemeinsam zu nutzenden Räumlichkeiten sechs Quadratmeter zur Verfügung stehen. Pro Person! Also seien die M-Büro-Mitarbeiter „über drei Tage in auch nicht ansatzweise adäquater Form untergebracht“, empörte sich Irmer.
Oha, Vergleich mit Asylbewerbern! Politisch völlig unkorrekt. Und das aus dem Mund des einschlägig vorbelasteten Hans-Jürgen Irmer. „CDU-Vize verhöhnt Flüchtlinge“, schäumten prompt die Linken; eine Schande, dass die Landtagsfraktion einen solchen Rechtsaußen als stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden habe. Einen „unsäglichen Asylbewerber-Vergleich“, machte der SPD-Abgeordnete Gerhard Merz aus: „Objektiv eine Verhöhnung der Lebenslage der Flüchtlinge in unserem Land.“
Und die Grünen? Die neuen Freunde der CDU und damit auch Irmers, taten etwas völlig Neues, seitdem sie mit den Schwarzen regieren – sie beschönigten mal nicht eine CDU-Panne. „Falsch, unangemessen, sachfremd und überflüssig“, kanzelte Fraktionschef Mathias Wagner Irmers Sorgen und Vergleiche ab.
Naja, es kam dann, wie es kommen musste. Irmer entschuldigte sich später. Der Vergleich sei „möglicherweise falsch“.
Und die besagten Mitarbeiter der M-Büros? Die scheinen das alles am entspanntesten zu sehen. Denn der Menschenrechtsbeauftragte Irmer hat nämlich bei seinem Rundgang auch festgestellt, dass diese „ihre räumliche Situation mit trockenem Humor meistern, gleichwohl hoch motiviert, belastungsfähig und stets freundlich sind.“
Wohl dem „M“, der solche Mitarbeiter hat!
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 9. April 2014