Tut mir leid, ich muss heute leider mal mit einer Floskel einsteigen: Mit dem König Fußball, der ja bekanntlich die Welt reagiert. Der deutsche Vereinsfußball regiert mindestens mal Europa wie das Champions-League-Finale in London gezeigt hat – und natürlich auch die hessische Landespolitik: Die einschlägig bekannten Protagonisten können noch nicht einmal das Finale zwischen den Bayern und den Dortmundern glotzen, ohne gleich wieder ins übliche Gezänk abzudriften.
Anlass war zunächst die wahrlich erschütternde Meldung, dass Bayern München ein Mitglied weniger hat. Gut, der Münchner Großklub mit 188.000 Mitgliedern wird es grundsätzlich verschmerzen können. Aber auch wirklich den Verlust des hessischen SPD-Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel? Vermutlich schon.
TSG also hat den FCB nach zehn Jahren Mitgliedschaft verlassen, weil ihn der großzügige Umgang der Vereinsspitze mit der Affäre um Steuerbetrüger Uli Hoeneß maßlos geärgert habe. Okay, diese Meinung kann man haben. Die FDP allerdings will das nicht akzeptieren. Deren Parlamentarischer Geschäftsführer Frank Blechschmidt unterstellt dem SPD-Mann, gar kein echter Fußballfan, sondern nur ein bürokratischer Ideologe zu sein. Anlässlich des Triumphs im Wembley-Stadion müsse man doch den Sport auch einfach mal Sport sein lassen. Wundert uns diese Einstellung beim Vertreter einer Partei, die so große Steuerbetrüger wie Otto Graf Lambsdorff oder Leif Blum hervorgebracht hat? Nein.
Blechschmidts CDU-Kollege Holger Bellino, der als bekennender Bayern-Fan vor dem Fernseher gesessen hat, hakt sogar nach, wieso Schäfer-Gümbel denn trotzdem das Spiel an Ort und Stelle im Stadion verfolgt habe. Spricht da etwa der Neid über den besseren Sitzplatz des Sozis?
Da entsteht rasch der Ruch der Mauschelei, weshalb sich die SPD sofort beeilte, darauf hinzuweisen, Schäfer-Gümbel habe die Karte über den DFB bezogen und bezahlt. Es folgt natürlich der Konter in die FDP-Hälfte: Woher denn bitte der liberale Wirtschaftsminister Florian Rentsch, glühender Dortmund-Fan, seine Finalkarte habe? Beim BVB gekauft, ließ er ausrichten, Anreise und Unterkunft selbst bezahlt.
Nicht in die Champions, aber immerhin in die Europa League hat es bekanntlich die Frankfurter Eintracht geschafft. Das war dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier eine eigene Pressemitteilung wert. Gratulation, die Qualifikation kröne eine grandiose Saison. Ja, und er freue sich natürlich auf eine spannende Europa-League-Saison.
Das tun auch die Eintracht-Fans, manche mit rustikaler Symbolik: Sie zeigten in einer Choreographie unter dem Motto Adlerinvasion das Eintracht-Wappentier in einem Panzer sitzend durch Europa rollen.
Huch, wie schlimm. Findet zumindest der Grünen-Abgeordnete Daniel Mack. Jeder Beteiligte hätte doch wissen müssen, dass das der Panzer in Verbindung mit Europa beim Überfallen von Nachbarländern und dem zweiten Weltkrieg endet, jammert der friedensbewegte Jungabgeordnete auf seiner Internetseite. Du lieber Gott, gehts noch theatralischer? Ja: „Ich schäme mich für dieses dumme Motiv, das für Krieg, Hass und Ausgrenzung steht.“
Kommentator Homo Sapiens findet auf Macks Homepage die passende Antwort: Ob Mack sich nicht besser um eine Frauenquote bei Bauarbeitern zu kümmern habe, „anstatt mit Ihrem geistigen Dünnschiss die Eintracht-Fans braun einzufärben“.
Schließlich wäre noch Finanzminister Thomas Schäfer zu nennen. Da reicht es leider nicht zum Spitzenkick in Europa: Dem derzeit ohnehin arg gebeutelten Mann bleibt in Sachen Fußball nur das zweifelhafte Vergnügen, den Pleiteklub Kickers Offenbach mit einer Landesbürgschaft in die nächste Runde zu retten.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 29. Mai 2013