Europaministerin Lucia Puttrich redet Klartext: „Heimatvertriebene und Flüchtlinge sind in Hessen immer willkommen.“ So sprach die CDU-Politikerin aus der Wetterau am „Tag der Heimat“ des Bundes der Vertriebenen (BdV) am Samstag in Berlin. Na ja, ganz so Klartext war das dann doch nicht, weil ja manche Flüchtlinge eben nicht in Hessen willkommen sind. Diejenigen, die als sogenannte Armuts- oder Wirtschaftsflüchtlinge aus den Balkanstaaten hierherkommen, sollen bekanntlich schnellstmöglich zurückgeschickt werden, weil sie in Hessen und Deutschland so gut wie keine Chance auf ein Aufenthaltsrecht haben.
Ganz grundsätzlich stellt sich überhaupt mal die Frage, was denn passiert, wenn ein Syrer einen Mitgliedsantrag beim Bund der Vertriebenen stellt? Mit der Begründung, er sei vom Krieg aus seiner Heimat vertrieben worden? Oder ein Eritreer mit der Begründung, er sei von der dortigen Militärdiktatur aus seiner Heimat vertrieben worden?
Vermutlich betretene Mienen und verlegenes Hüsteln beim BdV. So war das doch nicht gemeint mit dem Vertriebensein! Es geht doch nach Darstellung des Verbandes um „unsere Landsleute im mittleren, östlichen und südöstlichen Europa“. Und wenn nun ein Albaner oder Kosovare, gemeinhin als Südosteuropäer bezeichnet, in den BdV wollte? Dann scheitert er wohl an dem Kriterium „Landsleute“.
Der Empathie der Europaministerin können sich jedenfalls alle sicher sein, die BdV-konformen Vertriebenen und die nicht nach BdV-Norm Vertriebenen: Nur Menschen in höchster Not und bei Gefahr für Leib und Leben brächten die Kraft auf, ihre Heimat zu verlassen. Schließlich sei der Begriff Heimat nicht nur eine geographische Bezeichnung, sondern Ausdruck unverwechselbarer Identität, familiärer Bindung und gelebter Tradition, weiß Puttrich.
Wie gut, dass die Reisemöglichkeiten von Hessen nach Italien da wesentlich einfacher sind. Denn die Hessen exportieren in der kommenden Woche ganz viel „unverwechselbare Identität“ und „gelebte Tradition“ in die norditalienische Metropole Mailand. Dort hat seit dem 1. Mai die Weltausstellung Expo ihre Tore geöffnet, und vom 7. September an ist nun Hessen-Woche auf der Expo.
Ausnahmsweise ist es nicht Ministerpräsident Volker Bouffier selbst, der dorthin reist, nein, sein Staatskanzleichef Axel Wintermeyer repräsentiert das Hessenland in der Lombardei. Wir gehen davon aus, dass der Unionspolitiker keinen Schleuser braucht, um die dazwischenliegenden Grenzen zu überwinden, und auch nicht die Mitreisenden, die Hessen „in vielfältiger Art und Weise und mit zahlreichen Programmpunkten“ präsentieren.
Der größte Knaller ist wohl „der gebürtige Frankfurter mit italienischen Wurzeln“, Fabrizio Levita. Wer? Laut Wintermeyer ist das „einer der profiliertesten Sänger aus Hessen“. Eine kurze Umfrage unter den Kollegen brachte nur Schulterzucken und unwissende Gesichter. Ein Blick in die Allwissenheitsmaschine Wikipedia ergab schließlich, dass er vor allem anderer Leute Lieder nachsingt. Wenig Hessisches jedenfalls.
Hätte die Staatskanzlei da nicht besser die Wildecker Herzbuben oder „Die Amigos“ aus Villingen nach Mailand geschickt? Am besten ohne Rückfahrkarte?
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 2. September 2015