Wo bleiben die Millionen?

So, der Hessentag ist wieder rum, Schulterklopfen allenthalben bei den Verantwortlichen. Der Herrgott sei gepriesen, die Millionengrenze bei der Besucherzahl ist überschritten – mit 1,4 Millionen sogar sehr ordentlich! Das scheint überhaupt regelmäßig das Hauptkriterium zu sein: Wann kommt endlich der millionste Gast in die Stadt? Klappt nicht immer, im zentral gelegenen Rüsselsheim schon. Also alles gut? Nein, der eine oder andere wagt doch tatsächlich Kritik an dem, was Ministerpräsident Volker Bouffier als einen „wunderbar fröhlichen und sicheren Hessentag“ bilanziert.

Wie jedes Jahr wettert die Links-Fraktion im Landtag auch in Rüsselsheim gegen die Präsenz der Bundeswehr auf dem Hessentag: „Der Protest gegen das ,Werben fürs Sterben‘ geht weiter“, meint der „europa- und friedenspolitische Sprecher“ der Fraktion, Jan Schalauske. Bisher war dies die Wehklage des friedensbewegten Willi van Ooyen, jetzt hat sein Nachrücker Schalauske im Landtag dies übernommen. Willi weinte, Jan jault, dieses militärische Spektakel werde „wieder für einen schaden Beigeschmack“ beim Hessentag sorgen. Kampfhubschrauber und Panzerlafetten seien auf diesem Volksfest doch fehl am Platz.

Über das Auffahren besagter Gerätschaften könnte man ja vielleicht in der Tat noch diskutieren, aber die zur Hilfe geholte „verteidigungspolitische Sprecherin“ ihrer Bundestagsfraktion, Christine Buchholz, redet die Linken komplett ins Abseits: Mit solchen „Werbeaktionen“ für die Bundeswehr, bei denen „die Risiken von Auslandseinsätzen, das Sterben und Töten“ gerne verschwiegen würden, werde die „Perspektivlosigkeit von jungen Menschen schamlos ausgenutzt“.
Ist das nicht unfassbar zynisch? Da wird jedem „jungen Menschen“ pauschal Perspektivlosigkeit unterstellt, wenn er zur Bundeswehr geht. Und der Staat – also wir – würden dies „schamlos“ ausnutzen? War da nicht was mit Parlamentsarmee? Bürger in Uniform? Also, die Bundeswehr gehört zu Hessen und damit auch auf den Hessentag. Punkt.

Wesentlich mehr Substanz hat die Kritik des Steuerzahlerbundes, der auf das erwartbare Millionendefizit für das hoch verschuldete Rüsselsheim verweist und erneut fordert, den jährlichen, zehntägigen „Gigantismus“ zu beenden und den Hessentag entweder kürzer oder in anderem Turnus zu feiern. Zudem sei fraglich, ob zur Festigung der hessischen Identität wirklich internationale Stars wie die „Kings of Leon“ eingekauft werden müssten, meint der Landesvorsitzende Joachim Papendick.

Damit verweist er auf eine nicht nachvollziehbare Hybris der Veranstalter: 32.000 (!) Menschen sollten in die „Hessentagsarena“ passen, in der auch die US-Rocker auftraten – vor bestenfalls 8000 Zuschauern. Entsprechend lustlos war deren Auftritt, eine Zumutung für die Fans bei Ticket-Preisen von 70 Euro.

Wie aber konnten die Veranstalter ernsthaft glauben, gleich mehrere Abende ein Gelände füllen zu können, das drei Mal die Zuschauerzahl der Frankfurter Festhalle fasst? Keiner der vielen großen Show-Namen schaffte dies auch nur ansatzweise. Refinanzierung über die Ticketpreise? Fehlanzeige! „Die Zeche der zehntägigen Party zahlen die Bürger, die ohnehin schon unter dem exorbitanten Grundsteuer-B-Hebesatz von 800 Prozent leiden“, lautet Papendicks ernüchterndes Fazit.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 21. Juni 2017

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