Willkommen in Willingen

Wellinger siegt in Willingen! Also schöner geht’s ja für einen Sprachvernarrten wie mich kaum. Noch besser wäre natürlich „der Villinger Wellinger siegt in Willingen“. Aber so perfekte Drehbücher schreibt das wahre Leben dann doch nicht. Der Skispringer Andreas Wellinger, der am Wochenende das Springen auf der Mühlenkopfschanze im nordhessischen Willingen gewonnen hat, stammt nämlich aus dem bayerischen Ruhpolding. Und das mittelhessische Villingen ist ja nun auch nicht gerade als die Wiege großer Wintersportler bekannt. Immerhin stammen aus dem Stadtteil von Hungen die volkstümlichen Schlagerbarden „Die Amigos“. Und die sind mindestens genauso berühmt wie Wellinger. Nicht wegen weiter Sprünge, sondern wegen musikalischer Höhenflüge. Ja, zumindest in kommerzieller Hinsicht…

Aber zurück ins waldeckische Willingen. Dorthin ist am Sonntag auch Sportminister Peter Beuth gereist, um dem Spektakel im Schnee beizuwohnen. Und tat, was ein Politiker dann eben so tut: betonte die Bedeutung des „Sportevents für die Region“, dankte den ehrenamtlichen Helfern, erinnerte an die Millionen-Investitionen der Vergangenheit aus der Landeskasse für die Sportstätte und lobte den gebürtigen Willinger Stephan Leyhe als „tollen Botschafter für die Region“. (Leider sprang Leyhe nur auf Platz 20, aber das kann ja noch werden.)

Grußworte also – und Geld. Auch immer ein wichtiger Politiker-Akt. Da habe ich dann aber doch etwas gestutzt. Einen Zuwendungsbescheid über 500 Euro überreichte er an den Ski-Club Willingen. 500 Euro? Reicht das überhaupt aus, um auch nur einen einzigen massgefertigten Skisprunganzug zu kaufen? Also Beuths Ministerkollege Boris Rhein, zuständig für Wissenschaft und Kunst, reist da mit ganz anderen Beträgen durchs Land: Da stehen Millionensummen auf den Schecks und Bescheiden, immer aber mindestens Tausender-Zahlen.

Aber vielleicht fängt Beuth ja schon mit dem Sparen an, denn die Landesangestellten, für die Beuth neben dem Sport auch noch zuständig ist, wollen richtig viel Geld aus der Staatskasse. „Wir wollen sechs“, lautet deren Forderung. Und da würde ich jetzt mal – vom Klang her zunächst an die Variante mit „x“ denkend – sagen, ja wer will das nicht, ist doch auch gesund wie schon Martin Luther meinte.

Aber, nein, darum geht es den Landesangestellten gar nicht. (Vielleicht auch, aber das weiß ich jetzt nicht.) Nein, die Beschäftigten wollen sechs Prozent mehr Geld von ihrem Dienstherrn, dem Minister Beuth. Das der aber wiederum nicht haben will – Sie kennen ja das Gewerkschaft-gegen-Arbeitgeber-Spiel, liebe Leser! Da ist es dann möglicherweise in der Tat geschickter, nur mit 500 Euro ins Upland zu reisen als mit einer Millionensumme.

Die bringen stattdessen vielleicht die Investoren mit, die die Hessen Trade & Invest, die sogenannte Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Landes, zum Skisprung-Wochenende gekarrt hat. Die Unternehmensvertreter stammten laut Mitteilung aus elf Ländern, unter anderem China, Frankreich, Indien, Japan, Korea, Schweden und den USA.

Moment, Investitionen aus den USA? Falsche Hoffnungen! Das wird Donald Trump sofort per Dekret verbieten. Wie sagt er doch: Make America great again – not Willingen.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 1. Februar 2017

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