Rocking Bouffier!

Die Sozis haben am Freitag gestreikt. Das ist jetzt eine etwas kuriose Situation. Wie erkläre ich das am besten? Also normalerweise streikt der ausgebeutete Arbeitnehmer gegen den gierigen Arbeitgeber, um mehr Gehalt zu bekommen. In diesem speziellen Fall haben aber in Frankfurt arbeitnehmende Sozialdemokraten gegen arbeitgebende Sozialdemokraten gestreikt. Sprich, rund 60 Beschäftigte des SPD-Bezirks Hessen-Süd haben gegen besagten Bezirk als Arbeitgeber gestreikt. Für mehr Gehalt und gegen eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit. Damit wurde also die Partei bestreikt, die hier im Landtagswahlkampf mit dem Slogan „Gerechte Löhne für Hessen“ geworben hat.

Normalerweise verbünden sich ja die Sozis auch mit den Gewerkschaften, um gemeinsam gegen die Arbeitgeber zu protestieren. In Frankfurt ist es nun so, dass die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die SPD-Angestellten zum Warnstreik gegen die SPD aufruft. Seltsam, was?

Und warum das Ganze? Der Hessen-Süd-Bezirk unter Führung des Landtagsabgeordneten Gernot Grumbach hatte schon vor zwei Jahren den Tarifvertrag gekündigt mit der Begründung, es sei kein Geld da. Oh, oh, kein Geld – das hören wir doch auch schon seit Monaten aus einem anderen Süd-Bezirk, nämlich Griechenland.

Wenn ein Unternehmen kein Geld mehr hat, die Löhne auszubezahlen, muss es eigentlich Insolvenz anmelden. Aber wie ist das bei einer Partei? Muss die SPD gar dicht machen? Gut, in Hessen gingen die Regierungsgeschäfte schon noch weiter, Linke und FDP müssten dann die Oppositionsarbeit gegen Schwarz-Grün alleine stemmen.

Aber im Bund? Da regiert die „Groko“ aus CDU und – SPD. Was, wenn die Hessen-SPD die Bundes-SPD mit in den finanziellen Abgrund reißt? Oft meldet erst ein Tochterunternehmen Insolvenz an, kurz darauf dann der Gesamtkonzern. . .

Der Kanzlerin bräche der Koalitionspartner weg. Was ich fürchte, aber kaum zu formulieren wage: Könnte die klamme Hessen-Süd-SPD letztlich die ganze Republik ins Chaos stürzen? Nach Grexit dann der DExit?

Um Himmels willen, hör’ ich mal lieber auf mit sowas und hoffe, dass Genosse Grumbach seinen arbeitenden Genossen ein paar Kröten mehr spendiert.

Schauen wir doch nochmal zur anderen Volkspartei, der CDU, die offenbar ihre Angestellten noch bezahlt. Zumindest höre ich nichts Gegenteiliges.

Deutschlands berühmteste Ex-Weinkönigin, die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, hat ihren hessischen Kollegen Volker Bouffier mit einem für die Union ein wenig untypischen Titel versehen: Er sei „jetzt quasi zum Rockstar geworden, zum Rock’n’Roller, dass er diese Koalition hinbekommen hat“, sagte sie im Hessischen Rundfunk. Also Schwarz-Grün.

Bouffier ein Rockstar? Naja, ist sicher Ansichtssache. Ein Rock’n’Roller? Nein, sicher nicht, ein Rock’n’Roller trägt Tolle und keine vom Mittelscheitel zum Seitenscheitel mutierte Haarpracht!

Und warum himmelt Groupie Klöckner jetzt Rockstar Bouffier so an? Weil er in den Parteigremien „mit großer Gelassenheit und Verständnis über den grünen Koalitionspartner“ berichte. Wow, das klingt ja echt nach Heavy Metal.

Da wusste Klöckner noch nicht, dass die schwarz-grüne Koalition in Eltville geplatzt ist. Laut Wiesbadener Kurier ist dies am Montagabend im Streit über die Aufstellung von Windrädern geschehen. Ausgerechnet Windräder! Und unionsseitig verantwortet von Ingmar Jung, als Wissenschaftsstaatssekretär ein Mitglied im Kabinett Bouffier.

Oha, da braucht Rock’n’Roller Bouffier mal wieder große Gelassenheit und viel Verständnis.

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 15. Juli 2015

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