Praktikanten

Wenn in Berlin ein Politiker mal wieder so richtig auf die Pauke hauen will, geht er zur Bild am Sonntag, lässt dort Dampf ab und kann sicher sein, dass landauf, landab die übrigen Redaktionen am meist nachrichtenarmen Wochenende eifrig zitieren. So hat es auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel getan und gegenüber dem Blatt verkündet, die unionsgeführten Länder Hessen und Bayern würden mit wenig Steuerfahndern und seltenen Steuerprüfungen als besondere Art der Wirtschaftsförderung werben und so Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten.

Ein typischer Gabriel eben, der aber in Hessen ganz besonders übel aufstößt, beherrschen hier doch die sogenannten Ex-Steuerfahnder immer wieder die Schlagzeilen und haben bereits zwei Untersuchungsausschüsse des Landtags beschäftigt. Die Beamten wurden Anfang der 2000er Jahre mit falschen ärztlichen Gutachten in den Vorruhestand abgeschoben und eine Fahndungsgruppe Großbanken der Frankfurter Finanzverwaltung aufgelöst. Der Vorwurf der Betroffenen und der Opposition: Die schon damals CDU-geführte Landesregierung sähe die Razzien der Fahnder in den Bankhäusern als abträglich für ansiedlungswillige Unternehmen, die Arbeit der Fahnder sei deshalb gestoppt worden. Die politische Einflussnahme konnte nie nachgewiesen werden, trotzdem legt Gabriel damit natürlich den Finger in die berühmte Wunde der Union.

CDU-Fraktionschef Christean Wagner ließ verkünden, Gabriel zeige einmal mehr, dass er ein Leichtgewicht (hä?) ist, wenn es um politische Inhalte gehe (ach so!).

„Eine bodenlose Frechheit“, schäumte CDU-Finanzminister Thomas Schäfer und unterstellte Gabriel eine „atemberaubende Unwissenheit“. Immerhin langte Schäfers Puste noch, um Gabriel im nächsten Atemzug ein einwöchiges Praktikum in der hessischen Finanzverwaltung anzubieten.

Das wäre natürlich ein toller PR-Gag, käme Gabriel tatsächlich in eine hiesige Amtsstube, republikweite Aufmerksamkeit wäre ihm erneut sicher. Der Staatskasse brächte dies aber wohl nichts, argwöhnt Willi van Ooyen von den Linken: Schäfers Vorschlag, der SPD-Vorsitzende solle in der hessischen Finanzverwaltung ein Praktikum absolvieren, würde dagegen sicher keine Mehreinnahmen bringen. Damit dürfte er sogar recht haben. Ob der gelernte Lehrer Gabriel wirklich einem ausgebufften Steuerbetrüger auf die Schliche käme, steht zu bezweifeln.

Schauen wir nochmal zu den Polit-Praktikanten der Jugendorganisationen von Grünen und Linken. Die haben eine krude Kampagne gestartet mit dem Motto: „Ich bin linksextrem.“ Dabei bieten die Organisationen nach eigenen Angaben „eine Plattform auf dem man sich zu seinem persönlichen Linksextremismus bekennen kann“. Die falsche Grammatik und Zeichensetzung stammen übrigens aus dem Originalzitat, und – mal ganz ehrlich – ein solch dümmliches Gelaber lässt man am besten unkommentiert, ignoriert es, schmeißt die Meldung einfach weg.

Nicht so der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Greilich. Der setzte in heiliger Empörung am heiligen Sonntag zu einem dreiseitigen Beschwerdebrief an. Adressat: Der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir. Initiatorin des extremen Blödsinns war zwar die Bundes-Grüne-Jugend, aber trotzdem eine willkommene Gelegenheit für Greilich, den politischen Gegner anzuschießen.

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der FDP-Fraktionschef zur Stunde an einem Brief an seinen eigenen Landesvorsitzenden feilt. Die Praktikanten seiner Partei, die Jungliberalen, haben nämlich im hr-Interview lauthals gefordert, Cannabis (das ist Rauschgift!!) zu legalisieren!

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 10. April 2013

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