Alle Vorurteile über Lehrer auflisten zu wollen, würde den Rahmen dieser Kolumne definitiv sprengen. Um die Einleitung für das folgende Anekdötchen aus der hessischen Landespolitik zu schaffen, seien jedoch zwei Klischees genannt, die zur Einordnung des weiteren Geschehens helfen. Lehrer, so die weit verbreitete Mär, hätten morgens Recht und nachmittags frei. Und Ex-Kanzler Gerhard Schröder gab in der ihm eigenen hemdsärmligen Art noch als niedersächsischer Ministerpräsident zum Besten, Lehrer seien doch alles „faule Säcke“.
Irgendwie war man daran erinnert, als die FDP-Landtagsfraktion in Person ihres schulpolitischen Sprechers Wolfgang Greilich im Juni einen Gesetzentwurf vorlegte, nach dem Lehrer ihre Fortbildungsmaßnahmen doch bitte schön in den Nachmittag, auf die Wochenenden oder in die Ferien zu legen hätten. Sonst fiele zu viel Unterricht aus.
Denn Greilich und seine FDP hatten eine Anfrage an das Kultusministerium gestellt und zu hören bekommen, dass jährlich 90 000 Lehrer an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, die durchschnittlich 1,3 Tage dauern und zu 60 Prozent in der Unterrichtszeit stattfinden. Und damit fielen 350 000 Unterrichtsstunden im Jahr aus, rechnete Greilich vor.
Während Gerhard Schröder, sofern er denn die hessische Landespolitik verfolgt, lauthals „haha, siehste!“, gegrölt haben dürfte, schalteten die hiesigen Parteien auf Empörung. Im Hause des CDU-Kultusministers Alexander Lorz wurde die Rechnung der FDP als „hanebüchen“ abgetan, die CDU-Fraktion verurteilte das „fortwährende Lehrer-Bashing“ der Liberalen, die Linke sprach von einem „abstrusen Vorstoß“ und der Grünen-Schulpolitiker Daniel May sah den Gesetzentwurf in einer Landtagsanhörung „krachend durchgefallen“.
Das war’s mit dem Entwurf.
Doch Wolfgang Greilich kennzeichnet eine gewisse Beharrlichkeit, wenn nicht gar Sturheit. Er hat das Thema keineswegs vergessen. Und so nahm er in der zurückliegenden Plenarwoche einen neuerlichen Anlauf, um sein Ansinnen im Landtag einzubringen. Jetzt allerdings nicht mit einem Gesetzentwurf, sondern er pickte sich einige wundersame Fortbildungsmaßnahmen aus dem Katalog der „Zentralen Fortbildungseinrichtung für Sportlehrkräfte des Landes“ heraus: In der Aktuellen Stunde stellte er die spöttische Frage, inwiefern denn bitte die Fortbildungsveranstaltung „Vorbereitung auf die Qualifikation zum Skiunterricht in der Schule“ im Stubaital mit dem Ziel „die eigene Skitechnik zu verbessern“ im Sinne einer – laut Landesregierung – „modernen Lehrerfortbildung prozessbegleitend in der Schule“ stattfinde und deshalb nicht in der unterrichtsfreien Zeit angeboten werden könne.
„Heiterkeit“ und „Unruhe“ notierten die Landtagsstenografen im Protokoll. Ob das Angebot auch von Abgeordneten wahrgenommen werden könne, begehrte CDU-Mann Holger Bellino zu wissen.
Kultusminister Lorz bemühte in seiner Antwort Hessens Geografie und die Klimaerwärmung: Es sei doch einleuchtend, dass „alpines Skifahren außer vielleicht in ganz besonderen Gegenden unseres schönen Hessenlandes“ in Hessen nicht prozessbegleitend in der Schule angeboten werden könne. „Das mag vor einigen Jahren, als die Winter noch härter waren, anders gewesen sein. Aber so ist im Moment die Lage“.
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 26. Oktober 2016