Kickers und Doktores

The Winner takes it all – und um den Verlierer kümmert sich mal wieder niemand. Das ist bei mir natürlich anders, ich habe auch ein Herz für die Gestrauchelten, die Gescheiterten, die Relegationsunterlegenen. Als Darmstadt 98 in die 1. Bundesliga aufgestiegen war, als der 1. FFC Frankfurt die Champions League gewonnen hatte – ja, da waren sie fix bei der Hand mit ihren Pressemitteilungen, die Herren Bouffier und Beuth, der Ministerpräsident und der Sportminister. Glückwünsche, Freude, Stolz, das volle Programm.

Und jetzt, wo die Offenbacher Kickers ihre beiden Relegationsspiele gegen Magdeburg verloren, also den Aufstieg in die dritte Liga verpasst haben – ja, da herrscht nur betretenes Schweigen in Staatskanzlei und Innenministerium. Kein Wort des Trosts, der Aufmunterung, es im kommenden Jahr erneut zu versuchen.

So ungerecht ist das Leben. Selbst der FSV Frankfurt, der gerade noch den Abstieg aus der 2. Bundesliga vermeiden konnte, war den beiden Regierenden noch ein Satz in ihren Lobreden wert. Kickers Offenbach dagegen, immerhin ganz souverän durch die Regionalliga Südwest marschiert, war den beiden kein Wort wert. Nur weil sie die beiden Aufstiegsspiele verpatzt haben . . .

Naja, da wollte ich mal wissen, was die beiden Offenbacher in der Landesregierung zu ihren Kickern sagen. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir wollte gar nichts sagen, Sozialminister Stefan Grüttner hingegen zeigte sich tief betrübt: „Es ist schade, dass eine tolle Saisonleistung kein Happy End hatte.“

Und es sei schade, dass wenige Chaoten einen Verein und eine Stadt in Misskredit brächten. Sie erinnern, sich da waren doch so 40 vermeintliche Fans, die das Spielfeld stürmten. Offenbacher, nicht Magdeburger. Naja, das passiert bei der benachbarten Eintracht in Frankfurt auch schon mal. Was es natürlich nicht besser macht.

„Ich hoffe, dass die Enttäuschung sich nicht auf die nächste Saison auswirkt, sondern gleich das nächste Unternehmen Aufstieg gestartet wird“, so blickt Grüttner wenigstens positiv in die Zukunft.

In Grüttners Ministerium gibt es einen Staatssekretär, der auch gerade in heikler Mission unterwegs ist. Quasi ein Unternehmen Nichtabstieg; Nichtabstieg aus der Riege der Promovierten: Wolfgang Dippel. Die Universität Kassel hatte ihm im Februar den Doktor-Titel aberkannt, weil er in seiner Dissertation von 1995 abgeschrieben haben soll. Dagegen hatte er umgehend Einspruch eingelegt. Das Verfahren ist aktuell sozusagen in der Verlängerung. „Der Widerspruch ist eingereicht, eine Widerspruchsbegründung wird derzeit erarbeitet“, schreibt mir Dippels Anwältin auf Nachfrage nach dem Spielstand.

Während Dippel also um seinen Titel kämpft, scheint der „Doktor“ für Thomas Spies fast hinderlich zu sein. Der SPD-Landtagsabgeordnete will nämlich Oberbürgermeister in seiner Heimatstadt Marburg werden und darf dabei offenbar nicht zu intellektuell wirken.

Die Kollegen der „Oberhessischen Presse“ haben den Mediziner nämlich auf den „beliebten, volksnahen“ Amtsinhaber Egon Vaupel hingewiesen, und festgestellt, dass dann ja alle Hauptamtlichen im Magistrat promoviert wären. Ob Spies denn nun volksnäher werden wolle und „mit Herzen Bierzeltreden halten“ könne?

Er sei natürlich genau wie sein Parteifreund Vaupel, der nicht wieder antritt, an den Sorgen jedes Menschen interessiert, versichert Spies. „Aber im Unterschied zu Vaupel muss ich nochmals nachweisen, dass ich nicht der ,Herr Doktor‘ bin, der sich für klüger hält.“ Das werde er, verspricht Spies, und „natürlich kann ich Bierzeltreden halten“.

Nun denn, vielleicht findet er ja ein Bierzelt in Hofgeismar auf dem Hessentag zum Üben. Wo sich übrigens der Hessische Rundfunk brüstet, größter Veranstalter zu sein.

Mit IHREM Rundfunkbeitrag, liebe Leser.

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