Ingenieurin gesucht

Diese Botschaft kommt regelmäßig und erschüttert doch immer wieder: „Frauen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen weiterhin unterrepräsentiert“, meldet das Statistische Landesamt in Wiesbaden. Während mehr als die Hälfte aller Studienanfänger im Jahr 2014 weiblich war, habe der Frauenanteil an den sogenannten MINT-Fächern nur bei knapp einem Drittel gelegen, teilte die Behörde mit. Die Abkürzung MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Dabei sind die Damen, sofern sie es denn in die technischen Domänen zieht, laut den Statistikern ganz unterschiedlich stark vertreten: In den Studienbereichen Mathematik, Biologie, Architektur, Pharmazie, Vermessungswesen und Raumplanung habe der Frauenanteil zum Teil deutlich über 50 Prozent gelegen. Bei den Fächern Maschinenbau, Elektrotechnik, allgemeines Ingenieurwesen und Verkehrstechnik dagegen unter 20 Prozent.

Wie gut, dass wir da unsere Kanzlerin haben! Angela Merkel ist Physikerin, mit Doktortitel (magna cum laude) noch dazu! In der hessischen Ministerinnenriege sieht es so rein MINT-technisch dagegen düster aus. Nicht dass Lucia Puttrich (Europa), Eva Kühne-Hörmann (Justiz) und Priska Hinz (Umwelt) kein Licht aufginge – aber naturwissenschaftliche Studien? Nein, die haben sie nun definitiv nicht betrieben. Puttrich ist Betriebswirtin, Kühne-Hörmann Juristin und Hinz Erzieherin. Streiken die nicht gerade?

Besser sieht es auch nicht beim Blick auf die weiblichen Abgeordneten im Landtag aus: Also nicht wegen der Optik, nein, aber laut „Handbuch des Hessischen Landtags“ ist keine der Damen Ingenieurin. Es dominieren Juristin, Kauffrau, Politikwissenschaftlerin, Lehrerin und Soziologin.

Wie gut, dass da am Donnerstag mal wieder der „Girl’s Day“ ins Haus steht. Der Tag also, an dem Mädchen für traditionelle Jungsberufe interessiert werden sollen. Das ist beim Besuch der CDU-Fraktion nicht unbedingt gewährleistet, wenn es dort laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer Holger Bellino „eine Einführung in den Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ geben soll. Ausgerechnet in der PR-Branche ist die Frauenquote extrem hoch und naturwissenschaftlich ist diese Art Arbeit auch nicht.

Anders sieht es da schon beim Besuch der Landtagsverwaltung aus. Da wird der Sinn des Girl’s Days wirklich mit Leben gefüllt: Eine „Präsentation über die Handhabung und den Einsatz von Elektrotechnik im Landtagsgebäude und die Arbeit in der Hausschreinerei“ stehen genauso auf dem Programm wie Einblicke „in die Domäne des Fahrdienstes“ und des Bereichs IT-Management. Jawoll, das sind mal Jungs-Berufe!

Oder, andersherum formuliert, „frauenuntypische Berufe“, so die SPD-Abgeordnete Lisa Gnadl, die ebenfalls 46 Mädchen in ihrer Fraktion begrüßt. Sie freue sich, dass „das Interesse der Mädchen an praktischer Politik im Landtag nach wie vor ungebrochen ist“.

„Praktische Politik“ scheint also auch ein „frauenuntypischer Beruf“ zu sein? Bei der bis auf eine Ausnahme frauenfreien FDP-Fraktion in Hessen ganz bestimmt, aber auch andernorts: Nicht umsonst arbeitet die schwarz-grüne Landesregierung ja wohl an einem Gesetz, das eine Frauenquote für die Parteilisten bei Kommunalwahlen bestimmen soll.

Wenngleich auch erst 2021.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 22. April 2015

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