In die Zukunft geschaut

 

Das holländische Königspaar ist in Hessen, da bin ich mal lieber geflüchtet. Mit den Blaublütlern habe ich nichts am Hut. Das Bejubeln der Royalen überlasse ich gerne den Frauen und Kindern – und Politikern. Nicht weit weg davon, wo Willem-Alexander, früher als Prinz Pilsken berüchtigt, und Máxima herkommen, bin ich hingereist: nicht Holland, sondern ins Nachbarland Belgien. Da gibt es zwar auch ein Königshaus, aber das ist nicht mein Ziel.

Die Eröffnung der hessischen Landesvertretung in Brüssel treibt mich zu diesem Einsatz in der Fremde. Ganz neu, ganz schick ist jetzt alles dort – wäre die Frage, ob Hessen jetzt wirklich so groß vertreten werden muss, wo es nach den jüngsten Zensuserhebungen doch viel weniger Hessen gibt als gedacht.

Wie auch immer, heute kommt Bouffier zur Eröffnungsfeier der Vertretung, von der aus in Zukunft die Belange Hessens im Vorschriften- und Gesetzerschaffungsmoloch Europäische Union wahrgenommen werden sollen. Mit der Zukunft hat es Bouffier ja derzeit ganz doll.

Die bisherigen Umfragen bescheinigen ihm zwar selbst keine große Zukunft als Ministerpräsident in Hessen, aber wenn doch, so will er als eine der ersten Amtshandlungen ein Zukunftsministerium schaffen.

Darin sollen zwar nicht gleich die nächste Marsexpedition geplant, aber doch die Bereiche Forschung und Technik gebündelt werden. Ich habe natürlich sofort einen Vorschlag zur Besetzung der Spitzenposition des neuen Ressorts: Der abgewählte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist doch auf dem Markt. Der war, na erinnern Sie sich?, genau, Zukunftsminister im Kabinett Kohl von 1994 bis 1998. Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, so lautete Rüttgers´ offizieller Titel, das kommt der Bouffierschen Vision doch schon sehr nahe. Und von der CDU ist Rüttgers auch.

Oder noch besser, was ist denn mit Heinz Riesenhuber? Der CDU-Recke will seinen Bundestagswahlkreis Main-Taunus doch trotz gefühlter 110 Jahre auf dem Buckel partout nicht räumen. Auch der war mal Bundesminister für Forschung und Technologie, von 1982 bis 1993 ebenfalls in einem Kabinett Kohl.

Damit wäre der Jurassic Park der Unions-Dinos dann komplett: Bouffier, Riesenhuber und Franz Josef Jung als Bundestagsspitzenkandidaten.

Damit gesteht Herr Bouffier ein, dass sein derzeitiges Kabinett von vorgestern ist. Eine Regierung, in der sich elf Ministerinnen und Minister mit der Vergangenheit beschäftigen, wird durch ein Zukunftsministerium nicht besser, lästert die SPD.

Also bitte, liebe Genossen, wer sich vor allem für 150 Jahre Vergangenheit feiert und ganz sicher in Zukunft nicht den Bundeskanzler stellt, sollte sich wohl etwas mehr zurückhalten.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 5. Juni 2013

 

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