Wissen Sie, was mich total aufregt? Kaum ist Helmut Kohl gestorben, da wetteifern schon alle möglichen Wichtigtuer um den tollsten Vorschlag, was man alles nach dem „Kanzler der Einheit“ benennen soll. Deren Phantasie kennt keine Grenzen: Straßen sowieso, schöner noch Straßenzüge, Plätze ebenfalls prima, Flughafen auch famos … Meine Güte, der Mann liegt noch nicht mal unter der Erde! Können diese Ranschmeißer nicht mal solange inne beziehungsweise den Mund halten, bis Kohl begraben ist?
Dauert doch nur noch bis zum 1. Juli – das ist schon am kommenden Samstag. Die ganze Anbiederei bringt doch eh nichts mehr: Kohl war zwar bekannt dafür, fürsorglich seine Getreuen zu umsorgen. Aber „der Dicke“ weilt doch nun nicht mehr unter uns! Egal, am schrillsten trieben es die Mitglieder der Jungen Union. In Hessen wie in Rheinland-Pfalz. Das Wochenende schafften es die Unionsbubis gerade noch zu schweigen, nachdem Kohl am Freitag vorvergangener Woche verstorben war. Aber dann brach es am folgenden Montag aus ihnen heraus: Der Frankfurter Flughafen sollte nach dem Altbundeskanzler benannt werden, forderten Hessens JU-Vorsitzender Stefan Heck und sein rheinland-pfälzischer Kollege Johannes Steininger. Kohl habe für ein Deutschland im Herzen Europas gestanden, der Flughafen Frankfurt sei das Drehkreuz Europas, also wäre dies eine würdige Erinnerung an einen großen Europäer, so das Argument der Jungunionisten.
In einem wahren Würdigungsfuror war auch die Junge Union in Mainz: Die gut fünf Kilometer lange Straßenverbindung vom Europa-Kreisel am 05-Stadion bis zum Ende der Kaiserstraße am Rhein solle künftig „Helmut-Kohl-Allee“ heißen. Um Himmels Willen! Fünf Kilometer! Das würde die Umbenennung gleich mehrerer Straßen und Plätze bedeuten, haben die JU’ler auch mal an die Unbilden für die Anwohner gedacht?
Der Bezirksverband der Jungen Union Rhein-Main schlug gemeinsam mit den dortigen Jungen Liberalen vor, alle nach Karl Marx benannten Straßen im Rhein-Main-Gebiet in Helmut-Kohl-Straßen umzubenennen. Oh, oh, oh, da wachten aber die Linken auf, als an ihrem Säulenheiligen gerüttelt wurde! Wer meint, mit Sonnenstich politische Forderungen aufstellen zu müssen, sei sehr schlecht beraten, ätzte die Landtagsfraktion und argwöhnte in den JU-Reihen die ersten Hitzeopfer angesichts der heißen Tage.
Geradezu bescheiden nimmt sich da der Vorschlag der Staatssekretärin im Finanzministerium und CDU-Kandidatin für die Frankfurter OB-Wahl, Bernadette Weyland, aus: Man solle doch einen zentralen Platz in Frankfurt nach Kohl benennen.
Sicher nachdenkenswert, aber gleich den Flughafen? CDU-Generalsekretär Manfred Pentz erklärte, er habe sehr viel Sympathie für den Vorschlag, wies aber immerhin darauf hin, „im Augenblick ist die Zeit der Trauer und des Gedenkens“. Der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Blechschmidt hingegen vermag „keinen einzigen stichhaltigen Grund für eine Umbenennung in Helmut-Kohl-Flugplatz“ zu sehen. Welchen Bezug habe Kohl zu Frankfurt außer der Ehrenbürgerschaft und einer Studienzeit? Das sieht der langjährige „Mister Hessenschau“ Holger Weinert ähnlich: „Bitte keinen Helmut-Kohl-Flughafen in Frankfurt. Der Mann war Pfälzer.“
Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 28. Juni 2017