Die Straßenkämpfer

Der frühere Ober-Grüne Joschka Fischer, ja das war noch so ein richtiger Straßenkämpfer von altem Schrott und Korn. Helm auf’m Kopf und immer druff uff die Polizisten. Fischers Erbe als Ober-Grüner gibt da als Straßenkämpfer eine ganz andere Figur ab. Schon im Wortsinne, den sehr schmal gebauten Tarek Al-Wazir kann man sich nun wirklich nicht im Clinch mit Polizisten vorstellen, wie es die alten Schwarzweiß-Fotos von Fischer zeigen.

Al-Wazir kämpft – ja was tut er eigentlich wirklich? – für oder gegen Straßen. Das ist Interpretationssache, je nach Sichtweise. Vor allem kämpft er zunächst mal wegen Straßen mit seinem Amtsvorgänger als Verkehrsminister, dem FDP-Mann Florian Rentsch. Dessen Sichtweise auf Al-Wazirs Einsatz ist deutlich: Der Grüne kämpfe offenbar eindeutig gegen Straßenbau in Hessen.

Den ersten Stein geworfen, um mal im passenden Bild zu bleiben, hat zunächst Al-Wazir. Auf einer Pressekonferenz zum Thema Straßenbauprojekte hatte der amtierende Minister jüngst kein gutes Haar am ausgeschiedenen Minister gelassen. Wegen Geldmangels müssten 63 von 204 Bauvorhaben verschoben werden, verkündete Al-Wazir. Rentsch habe Bauten versprochen, für die absehbar das Geld fehle, warf ihm Al-Wazir vor, „ungedeckte politische Schecks“ ausgestellt, Öffentlichkeit und Landtag über die wahre Lage in der Kasse im Unklaren gelassen.

Das war schon ungewöhnlich starker Tobak. Normalerweise rauchen Vorgänger und Nachfolger nicht unbedingt die Friedenspfeife miteinander – Rentsch und Al-Wazir ohnehin nicht –, aber üblicherweise findet der Neue doch eher diplomatische Sätze zur Arbeit des Ehemaligen.

Nicht so Al-Wazir. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass man den Mund zu voll genommen habe, aber man habe niemanden informiert, so Al-Wazir an die Adresse Rentschs. Und er unterstellte Rentsch zudem, entsprechende Prüfungen bis nach der Landtagswahl im September verzögert zu haben.

Das konnte Rentsch natürlich nicht auf sich sitzenlassen. Erstaunlich, dass der Heißsporn überhaupt eine Woche in der Deckung verharrte und nicht direkt zurückkeilte. Nein, er ließ zunächst Zahlen zusammentragen und in alten Landtagsdrucksachen wühlen, bevor er dann Ende voriger Woche zurückschlug.

Dabei wusste er durchaus Wirkungstreffer zu setzen. Erst einmal erklärte er Al-Wazirs Behauptungen allesamt als „falsch“ oder „unwahr“. Soweit erwartbar, aber dann kam er mit der „Liquiditätssperre“. Was ist das? Verhindert selbige etwa Aquaplaning auf der Straße? Nein, das ist ein Erlass des Finanzministers, nach dem aus Spargründen die geplanten Ausgaben mal eben um zehn Prozent zu kürzen seien.

Und jetzt kommt’s. CDU-Finanzminister Thomas Schäfer habe ihm, also Rentsch, in seiner Amtszeit angedeutet, wegen der besonderen Situation im Straßenbau selbige Sperre wieder aufzuheben. Warum, so fragt nun Rentsch, habe Al-Wazir denn in diesem Sinne bitteschön „keine Initiative zur Entsperrung der Haushaltsmittel ergriffen“?

Der Liberale dreht nun den Spieß mit der vermeintlichen Vertuschung um. Al-Wazir habe doch wohl alle „über seine Handlungsmöglichkeiten bewusst im Unklaren gelassen, um das Landesstraßenbauprogramm nachhaltig zu schädigen“. Zack, rechter Haken, und der linke folgt unmittelbar: Überhaupt habe doch Al-Wazir noch 2012 gefordert, die Ausgaben für die Landesstraßen jährlich um 35 Millionen Euro zu kürzen, dokumentiert Rentsch mit entsprechender Landtagsdrucksache.

Jetzt will die FDP in der nächsten Sitzung des Landtags die Aufhebung besagter Liquiditätssperre beantragen. Damit hätte Al-Wazir dann 13 Millionen Euro mehr in der Kasse, so der treusorgende Rentsch. Naja, das reicht dann zwar nicht für alle aufgeschobenen 63 Baumaßnahmen, aber immerhin . . .

Grüne, Blau-Gelbe und Schwarze in Zwist und Widerspruch – das freut doch die SPD. Deren Straßenkämpfer Uwe Frankenberger fragt denn auch ganz scheinheilig in Richtung Finanzminister: „Was stimmt denn nun, Herr Dr. Schäfer?“

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 16. April 2014

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