Die 103-Tage-Bilanz

Was, so werden Sie sich jetzt vielleicht fragen, ist denn um Himmels Willen eine 103-Tage-Bilanz? Was ist in drei Tagen so Wichtiges bei der Hessischen Landesregierung nach der 100-Tage-Selbstbeweihräucherung geschehen, dass nun auch noch eine 103-Tage-Bilanz her muss?

Ich sag’s Ihnen ganz ehrlich – nichts. Gut, gut, Innenminister Peter Beuth hat gestern angekündigt, dass ehrenamtlich Tätige bevorzugt in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden sollen, und Umweltministerin Priska Hinz „zeigt für die Sorgen der hessischen Schaf- und Ziegenhalter Verständnis“. Na bitte, doch noch Bahnbrechendes seit den am Sonntag vollzogenen ersten 100 Tagen der schwarz-grünen Landesregierung!

Wie, halten Sie jetzt für übertrieben, diese gesonderte Würdigung für die Sorgen um Hessens Schäfer? Stimmt, ist es auch. Der Grund für das ungerade Bilanzdatum ist schlicht, dass ich diesen Platz zum Ausmehren am Mittwoch bekomme und nicht am Sonntag, also drei Tage zu spät.

Dass nicht nur in den vergangenen drei Tagen nichts passiert ist, sondern in allen 100 Tagen zuvor ebenfalls nicht, behaupten ja auch böse Zungen. So nennt der SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel die Ergebnisse der ersten 100 Tage von Schwarz-Grün „außerordentlich mager“. Und verteilt Schulnoten: Wenig überraschend für einen Oppositionspolitiker nur „mangelhaft“ (in den Fächern Schule, European Business School, NSU, Frankfurter Flughafen, Antidiskriminierung) und „ungenügend“ (Biblis, Kommunales). Im Fach Energiewende und in der Kopfnote „Betragen“ lässt er sich zumindest zu einem gnädigen „befriedigend“ herab. Ach ja, und dass er nicht selbst Ministerpräsident geworden ist, darüber sei er zwar immer noch etwas enttäuscht, so TSG zu RTL, „aber es ist nicht so, dass ich jeden Tag vor dem Spiegel stehe und denke: ,Oh, wie schlimm ist das alles‘“.

„Oh, wie schlimm ist das alles“, denkt aber die FDP und das nicht nur, weil die Partei aus der Regierung geflogen ist, sondern auch, wenn sie sich das Regierungshandeln von Schwarz-Grün anschaut: „Nach nur 100 Tagen hat die Politik von CDU und Grünen bereits deutliche Spuren hinterlassen“, konstatiert Fraktionschef Florian Rentsch – und das sei „mehr als bedauerlich für unser Bundesland“: An den Schulen „blankes Chaos“, „verunsicherte Unternehmen“ am Flughafen und am Finanzplatz Frankfurt und „Taschenspielertricks statt Sparwille“ in der Finanzpolitik.

Ja, was sagen die denn eigentlich zur 100-Tage-Bilanz, diese Unternehmen? Schauen wir doch dazu mal auf die „Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände“. Die bescheinigen der neuen Landesregierung einen „unaufgeregten Auftakt“. Hä, was? Und dazu schickt die VhU dann zwei engbeschriebene Seiten? Wenn’s so unaufgeregt ist, dann gleich ab in den Papierkorb damit.

Nicht ganz erwartbar war die Einschätzung des Naturschutzbundes Nabu – zumindest angesichts des schwarzen Anteils der Landesregierung: Einen guten Start attestierte er der neuen Koalition. Das Lob bezieht sich aber vor allem auf grüne Anteile: FSC-Zertifikat für den Staatswald, Schutz des Bannwaldes, mehr Öko-Landbau. . .

Bedeutet das also „Grün wirkt: Hessen wird grüner und gerechter“, wie Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner feststellt? „Treibende Kraft und Ideengeber“ sei, so sagt Wagner es ganz unbescheiden, – seine Fraktion. Die CDU trennt traditionell nicht groß zwischen Fraktion und Regierung: „Ich glaube, dass wir schon jetzt auf dem Weg zu einer sehr kommunikations- und dialogfreundlichen Landesregierung sind“, sagt der Fraktionsvorsitzende Michael Boddenberg.

Kommunikationsfreundlich – das zumindest stimmt, mit fünf Seiten war die 100-Tage-Presseinfo der CDU die mit Abstand längste.

 

Erschienen Frankfurter Neue Presse vom 30. April 2014

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