Der betroffene Herr Irmer

Er ist sehr betroffen, der Herr Irmer. Und zwar über „die Diskussionen um meine Äußerungen im Zusammenhang mit dem Thema Homosexualität“, wie der CDU-Rechtsaußen am Montag verlautbaren ließ.

Erinnern Sie sich? Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er vor zwei Wochen zur Forderung des Grünen-Vorsitzenden Kai Klose, Homosexualität im Schulunterricht mehr zu thematisieren: „Homosexualität ist nicht normal. Wäre sie es, hätte der Herrgott das mit der Fortpflanzung anders geregelt.“ SPD, FDP und Linke im Landtag hatten sich dann zum wiederholten Male heftig über Irmer empört, der sich damit zum wiederholten Male abfällig über Homosexuelle geäußert hatte.

Ausgesprochen schmallippig hatten sich die Grünen damals geäußert, früher schärfste Kritiker des bildungspolitischen Sprechers und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion. Heute Koalitionspartner der Hessen-Union. Sie verwiesen lediglich auf den Koalitionsvertrag, der eine „Stärkung der gesellschaftliche Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen“ vorsehe.

Aber offenbar haben sie hinter den Kulissen dem Koalitionspartner doch kräftig Druck gemacht. Denn Irmers Erklärung vom Montag kam überraschend. Der zu erwartende Sturm der Entrüstung war über die politische Landschaft gefegt und eigentlich schon wieder abgeebbt. Bereit, sofort wieder aufzubrausen, sobald Irmer erneut losgepoltert hätte. Was so sicher geschehen wäre, wie Sonne auf Regen folgt.

Aber jetzt hat er erst einmal ordentlich Süßholz geraspelt. Er habe „in der Vergangenheit bei schwierigen und sensiblen Themen mitunter Formulierungen gewählt, die zum Teil missverständlich waren oder so interpretiert wurden, dass Menschen sich zu Recht verletzt fühlen konnten“, schrieb Irmer nun. Dies bedaure er sehr und werde dies auch in der Dezember-Ausgabe des „Wetzlar- Kuriers“ zum Ausdruck bringen.

Auch im „Wetzlar-Kurier“! Das will was heißen, denn dabei handelt es sich um Irmers Privat-Postille, in der er genüsslich seine Schmähschriften abdruckt. Da werden sich seine Leser aber vor Verwunderung die Augen reiben. Denn just dort hatte er früher noch unter anderem geschrieben, er halte Homosexualität für eine heilbare Krankheit.

Und jetzt das: „Homosexualität gehört in unserem Land für mich selbstverständlich zur Normalität.“ Wissen Sie, woran mich das erinnert? An den Spruch unseres Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, von dem nur der Satz geblieben ist: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Vom früheren hessischen Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn später verfeinert zu „Der Islam gehört zu Hessen“.

Und jetzt also Irmer: Homosexualität gehört zu Hessen. Oder so ähnlich. Aber es kommt ja noch schöner. Dabei handele es sich um seine „feste Überzeugung, die von Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe geprägt ist“. Komisch, das hörte sich sonst immer ganz anders an, wenn er seine dumpfen Klischees, Vorurteile und Stereotypen losgelassen hat über Homosexuelle, Ausländer, Muslime, den Islam und wer oder was sonst so nicht in sein ultrakonservatives Bild passt.

„Absolut notwendig“ sei es gewesen, seufzt ein erleichterter CDU-Fraktionschef Michael Boddenberg, dass Irmer seine Äußerungen nun „klargestellt und ergänzt“ habe. „Die Verärgerung auf Seiten unseres Koalitionspartners aber auch in unserer eigenen Fraktion kann ich sehr gut nachvollziehen“, führt Irmers Boss weiter aus. Ja, auf seine Fraktion verweist Boddenberg ebenfalls – auch in der CDU-Landtagsfraktion gibt es Homosexuelle.

Die hessische CDU sei eine von christlicher Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit und Toleranz geprägte Partei, so Boddenberg: „Ich erwarte selbstverständlich von unseren Mitgliedern und in besonderem Maße von jedem einzelnen unserer Funktionsträger, dass diese Grundwerte tagtäglich auch gelebt werden.“

Das heißt dann wohl, dass Irmer beim nächsten Christopher Street Day, der großen Schwulenparade, ganz vorne auf dem ersten Wagen stehen wird, oder?

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